Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 28 O 200/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.10.2017 (28 O 200/17) abgeändert und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 10.07.2017 (28 O 200/17) unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufgehoben.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche wegen bestimmter Passagen in einem seit 07.06.2017 von der Verfügungsbeklagten auf der von dieser betriebenen Internetseite www.A.org vorgehaltenen Artikel mit dem Titel "Die B-Tonbänder." Wegen der Einzelheiten der Berichterstattung wird auf Anlage K2 (AH) Bezug genommen. Die Verfügungsklägerin firmierte bis 2012 als B AG und bietet weltweit verschiedene industrielle Dienstleistungen an. Im Jahr 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft N gegen Mitarbeiter der B AG einschließlich des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Schmiergeldzahlungen zur Unterstützung des Auslandsgeschäftes, u.a. im Zusammenhang mit der Beschaffung von U-Booten im Wert von 2,85 Mrd. EUR durch C. Diverse Beschäftigte berichteten im Rahmen eines unternehmensinternen Amnestieprogramms von regelwidrigen Zahlungen. Im Dezember 2011 wurden ein ehemaliges Vorstandsmitglied und ein ehemaliger Prokurist der B AG wegen Bestechung ausländischer Amtsträger vom Landgericht München I zu Freiheitsstrafen auf Bewährung und Geldstrafen verurteilt. Sie hatten zuvor gestanden, im Jahr 2000 in C und im Jahr 2003 in D insgesamt ca. 62 Mill. EUR an Bestechungsgeldern an administrative Entscheidungsträger gezahlt zu haben, um an U-Boot-Aufträge zu kommen. Zur Abschöpfung der durch diese Vorgänge erzielten Unternehmensgewinne wurde die B AG zu einer Geldbuße von knapp 140 Mill. EUR verurteilt. Die geschilderten Vorgänge waren allesamt Gegenstand gerichtlicher Verfahren und der Berichterstattung in der Presse.
In einer Aufsichtsratssitzung im Dezember 2009, an welcher auch von der B AG mandatierte Rechtsanwälte sowie Buchprüfer teilnahmen, waren u.a. mutmaßliche Schmiergeldzahlungen aus dem Jahr 2007 thematisiert worden. Um die Anfertigung des Sitzungsprotokolls zu erleichtern, hatte die B AG mit Zustimmung der Teilnehmer Tonaufnahmen von dieser und anderen Sitzungen des Aufsichtsrats anfertigen lassen, die im Anschluss an die Protokollfertigung gelöscht werden sollten. Dies war aus ungeklärten Gründen unterblieben. Die von dem Unterlassungsbegehren erfassten Passagen der Berichterstattung stellen eine auszugsweise und teils wörtliche, teils beschreibende Wiedergabe der während der Aufsichtsratssitzung aus Dezember 2009 aufgezeichneten Gespräche dar. Wie die Gesprächsinhalte an die Verfügungsbeklagte gelangten, ist umstritten.
Die Verfügungsklägerin hat die Ansicht vertreten, ihre Vertraulichkeitssphäre - die alle Geschäftsunterlagen betreffe - sei verletzt, wobei schon wegen §§ 93, 116 AktG Informationen aus Aufsichtsratssitzungen besonders vertraulich zu behandeln seien und der Schutz durch die über § 109 Abs. 1 AktG in der Sitzung anwesenden anwaltlichen Berater und Buchprüfer zudem nochmals verstärkt worden sei (vgl. auch §§ 160a Abs. 2, 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Die Verfügungsklägerin hat behauptet, es liege nahe, dass die Tonbandaufzeichnungen durch ihren früheren Mitarbeiter E, der die Verfügungsklägerin aufgrund wiederholter Verstöße gegen seine arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtungen vor wenigen Jahren habe verlassen müssen und der inzwischen Prokurist der Verfügungsbeklagten sei, an die Verfügungsbeklagte gelangt sei, so dass dieser der in der Verbringung der Bänder in ihre Sphäre liegende Rechtsbruch sogar unmittelbar zuzurechnen sei. Jedenfalls habe die Verfügungsbeklagte nicht ohne vorherigen Rechtsbruch Dritter an die Tonbandaufzeichnungen gelangen können, schon weil alle Inhalte von Beratungen eines Aufsichtsrats nach dem Aktiengesetz vertraulich seien. Dies sei der Verfügungsbeklagten auch bewusst gewesen, wie sich aus der angegriffenen Berichterstattung selbst ergebe. In einer solchen Situation überwiege bei der gebotenen Abwägung das Geheimhaltungsinteresse der Verfügungsklägerin das Berichterstattungsinteresse der Verfügungsbeklagten, zumal durch die Berichterstattung keine erheblichen Missstände aufgedeckt würden vor dem Hintergrund, dass die in der früheren B AG begangenen Rechtsverstöße allesamt umfassend strafprozessual aufgeklärt und medial öffentlich gemacht seien, worauf der streitgegenständliche Beitrag sogar hinweise. Jedenfalls bestehe mangels relevanten Gegenwartsbezuges der Gesprächsinhalte aus der Sitzung aus Dezember 2009 zumindest im Juni 2017 kein die berechtigte Vertraulichkeitserwartung der Verfügungsklägerin überwiegendes Berichterstattungsinteresse mehr. Die Verfügungsklägerin hat zudem die Ansicht vertreten, es liege eine Verletzung von § 17 Abs. 2 UWG vor.
Mit Beschluss vom 10.07.2017 (Bl. 27 f. d.A.) hat das Land...