Leitsatz (amtlich)
1. Die Überlassung eines Hubschraubers in die Obhut einer als Anbieter gewerblicher Hubschrauberflüge tätigen Firma durch die VN einer kombinierten Halter- und Passagier-Haftpflichtversicherung stellt eine objektive Gefahrerhöhung gem. § 23 II VVG dar, weil auf dem von der VN betriebenen Flugplatz nach Kündigung des Berufspiloten kein Pilot mehr beschäftigt war, der über die zur Durchführung gewerblicher Flüge erforderliche Fluglizenz als Berufspilot verfügte.
2. Aus der Kenntnis der VN, dass die Durchführung gewerblicher Flüge von einem Piloten ohne die erforderliche Berufspiloten-Lizenz verboten ist, ergibt sich das Bewusstsein der VN darüber, dass der Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlicher ist und damit der Vorsatz i.S.d. § 26 Abs. 1 VVG.
3. Der Luftfahrt-Haftpflichtversicherer kann sich gemäß § 117 Abs. 3 S. 2 VGG i. V. M § 4 Abs. 3 AHB-Lu 2008 gegenüber dem privaten Krankenversicherer der bei dem Hubschrauberabsturz Geschädigten abweichend von der Schutzvorschrift des § 177 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 VVG auf Leistungsfreiheit berufen, weil die Geschädigte Ersatz für die angefallenen Heilbehandlungskosten von dem Krankenversicherer als einem anderen Schadensversicherer erlangen kann.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 23.06.2014; Aktenzeichen 24 O 12/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.6.2014 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des LG Köln - 24 O 12/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist auf der Grundlage des Versicherungsscheins vom 21.12.2009 (Anlage K 1, AH) der private Krankenversicherer der Frau L, die als Passagierin bei einem Hubschrauberabsturz am 24.10.2010 schwer verletzt wurde. Für den abgestürzten Hubschrauber Robinson R 44 Raven II mit dem Kennzeichen X-HXXB bestand bei der Beklagten eine kombinierte Halter- und Passagier-Haftpflicht-Versicherung. Ausweislich der Versicherungsbestätigung zur Vorlage beim Luftfahrt-Bundesamt vom 22.12.2009 und dem 2. Nachtrag zum Versicherungsschein vom 15.12.2009 (Anlage K 2, AH) ist Versicherungsnehmerin die Fa. B International GmbH & Co. KG (nachfolgend B). Die I INTERNATIONAL GmbH (nachfolgend I) ist in der Klausel Lu 7411 als Mitversicherte in der Halter-Haftpflichtversicherung genannt. Gesellschafter und Geschäftsführer der I war Herr N, der den Hubschrauber während des Fluges am 24.10.2009 führte. Zwischen der Fa. B und dem Piloten bestand ein Chartervertrag betreffend den bei der Beklagten versicherten Hubschrauber.
In dem 2. Nachtrag zum Versicherungsschein vom 15.12.2009 wurde die Klausel Lu 150 Maklerklausel aufgenommen, die lautet:
"Die Firma
W H GmbH Versicherungsmakler
Gplatz 8
E
ist bevollmächtigt, Anzeigen, Zahlungen und Erklärungen des Versicherungsnehmers entgegenzunehmen.
Alle Anzeigen und Willenserklärungen gelten als dem Versicherer gegenüber abgegeben und alle Obliegenheiten und Verpflichtungen, auch Zahlungsverpflichtungen, dem Versicherer gegenüber erfüllt, sobald sie gegenüber W H GmbH Versicherungsmakler erfüllt sind. Die W H GmbH Versicherungsmakler ist verpflichtet, sie unverzüglich an den Versicherer weiterzuleiten."
Der 2. Nachtrag zum Versicherungsschein vom 15.12.2009 nimmt auf die Luftfahrt Haftpflichtversicherungs-Bedingungen, AHB-Lu 2008, Lu H 1 - Vordruck Lu 211 (Anlage K 2, AH) Bezug.
§ 4 "Ausschlüsse" Ziff. I. 3. der AHB-Lu 2008 lautet:
"Kein Versicherungsschutz besteht, wenn der/die Führer des Luftfahrzeuges bei Eintritt des Schadenereignisses nicht die vorgeschriebenen Erlaubnisse, erforderlichen Berechtigungen oder Befähigungsnachweise hatten. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt gegenüber dem Versicherungsnehmer, dem Halter oder dem Eigentümer bestehen, wenn dieser das Vorliegen der Erlaubnis bei dem berechtigten Piloten ohne Verschulden annehmen durfte oder wenn ein unberechtigter Pilot das Luftfahrzeug gebraucht."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsverhältnisses wird auf die als Anlage K2 eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
Vom 16.6. bis 17.6.2010 führte das Luftfahrt-Bundesamt bei der Firma B einen Aufsichtsbesuch durch. Mit Schreiben vom 18.06.2010 (Bl. 122 f. der beigezogenen Ermittlungsakte 322 Js 791/10 StA Paderborn, nachfolgend EA) stellte das Luftfahrt-Bundesamt gegenüber der Firma B unter 1d. fest:
"Die Außenstelle P ist mit der Kündigung des Herrn N2 ohne Außenstellenleiter und Berufspilot. Wir haben mit Ihnen vereinbart, dass Sie bis zum 1.7.2010 diese Situation klären und die Außenstelle mit den Hubschraubern gegebenenfalls abmelden. Gewerbliche Flüge ohne Außenstellenleiter und Berufspiloten sind ausdrücklich untersagt. (Level Finding 3)"
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