Entscheidungsstichwort (Thema)
Anscheinsbeweis bei Duraverletzung; Aufklärung; Einzelrichter;
Leitsatz (amtlich)
1. Es gibt keinen Anscheinsbeweis für ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen, wenn bei einer Operation am Spinalkanal der Operateur die Dura mit einer Fräse in der Weise verletzt, dass ein kaliberstarker Nerv-Faszikel durchtrennt wird.
2. Hat eine als Zeugin vernommene Ärztin keine konkrete Erinnerung mehr an das streitige Aufklärungsgespräch, genügt es zur richterlichen Überzeugungsbildung, wenn die Zeugin in nachvollziehbarer und in sich stimmiger Weise die übliche Vorgehensweise bei einem Aufklärungsgespräch schildert.
3. Die Entscheidung eines Arzthaftungsprozesses durch die Einzelrichterin, ohne dass ihr der Rechtsstreit durch die Kammer übertragen wurde, stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der allerdings nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung an das LG zwingt.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 611, 823; ZPO § 348
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 01.03.2013; Aktenzeichen 25 O 57/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Köln vom 1.3.2013 - 25 O 57/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen des Vorwurfs von Behandlungs- und Aufklärungsfehlern im Zusammenhang mit einer an der Lendenwirbelsäule durchgeführten Operation auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.
Die am 10.11.1947 geborene Klägerin befand sich seit dem Jahr 1998 wegen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule in orthopädischer Behandlung. Im Jahr 2009 stellte sich die Klägerin bei ihrem Orthopäden Dr. F mehrfach wegen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und deutlichen Bewegungseinschränkungen vor. Trotz Einnahme von Schmerzmitteln und einer Infiltrationstherapie ergab sich keine wesentliche Beschwerdeverbesserung. Nachdem eine CT-Aufnahme eine deutliche Degeneration mit Spondylarthrose und Spinalenge sowie eine Bandscheibenprotrusion im Bereich L3 bis L5 gezeigt hatte, begab sich die Klägerin auf Empfehlung von Dr. F stationär in das E-Krankenhaus L. Dort gab die Klägerin an, seit über vier Monaten unter einem tiefen lumbalen Schmerz mit Ausstrahlung in das Dermatom L5 zu leiden. Seit eineinhalb Monaten bestehe zusätzlich eine Hypästhesie im Bereich des Fußrückens. Bei oraler Schmerzmitteleinnahme bestünden keine nächtlichen Ruheschmerzen. Sie leide zudem an Pressschmerzen. Während des vom 05.01. bis 16.1.2010 andauernden stationären Aufenthaltes unterzog sich die Klägerin einer minimalinvasive Therapie u.a. mit Facetteninfiltrationen und Physiotherapie. Laut Entlassungsbericht vom 15.1.2010 konnte eine deutliche Beschwerderegredienz, jedoch keine Beschwerdefreiheit erzielt werden. Eine am 21.1.2010 durchgeführte Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule zeigte einen betonten Bandscheibenprolaps im Bereich L4/L5 mit relativen Einengungen und Ergussbildung der Facettengelenke. Nachdem die Klägerin mit Herrn Dr. F die Frage nach den weiteren Therapiemöglichkeiten erörtert hatte, stellte sie sich am 12.2.2010 in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus N vor. Im Ambulanzbericht vom 19.2.2010 wurde festgehalten, dass die Klägerin seit 6 Monaten an therapieresistente Lumboischalgien rechts mit Schmerzausstrahlungen vom unteren lumbalen Bereich hinab in die Ober- und Unterschenkelaußenseite leide. Die Schmerzen seien durch Taubheitsgefühle im Fuß begleitet. Die bisherige konservative Therapie habe keine wesentliche Linderung der Beschwerden erbracht. Nach ambulanter klinisch-neurologischer Untersuchung und einer Auswertung der MRT- und CT-Aufnahmen wurde ein Bandscheibenvorfall bei relativer Spinalkanalstenose in Höhe L4/5 diagnostiziert und eine Indikation zur Operation gestellt.
Nach Bedenkzeit entschied sich die Klägerin für einen operativen Eingriff, der am 11.3.2010 in dem durch die Beklagte betriebenen Krankenhaus I vorgenommen wurde. Während der Operation kam es beim Auffräsen des Spinalkanals zu einer Verletzung der Dura. Ein herausquellender kaliberstarker Faszikel wurde verletzt. Die Dura wurde mittels Naht verschlossen und der Spinalkanal sowie Nervenwurzeln ausgiebig dekomprimiert. Im Operationsbericht vom 11.3.2010 wurde unter dem Punkt "Postoperative Beurteilung" festgehalten: "Dorsale Dekompression des Spinalkanals Höhe L4/5, Foraminotomie, partielle Arthrektomie, Versorgung eines iatrogen entstandenen Duralecks, mikrochirurgische Technik."
Als Folge der Operation leidet die Klägerin unter einem sog. Cauda-Syndrom mit Taubheitsgefühlen im Bereich Gesäß, Becken, Schenkelinnenseiten, After, Blase und Genitalien sowie unter einer Blasen- und Mastdarmin...