Leitsatz (amtlich)
Zur Frage eines existenzvernichtenden Eingriffs durch Ausschluss einer GmbH vom konzerneigenen Cash-Pool-System.
Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 27.07.2006; Aktenzeichen 12 O 1/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.7.2006 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 12 O 1/05 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 1.745.421,49 EUR (944.000 EUR + 801.421,49 EUR für den Hilfsantrag auf Erstattung der Ausschüttungen) festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter der N. M. GmbH die Beklagte als deren Alleingesellschafterin auf Erstattung der zur Insolvenztabelle angemeldeten und festgestellten Forderungen der Gläubiger, die durch die Insolvenzmasse nicht gedeckt sind, in Anspruch. Hilfsweise stützt er die Klage in der Berufung auf Ausschüttungen der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin im Rahmen des Cash-Pool-Verfahrens.
Die N. M. GmbH wurde 1987 mit einem Stammkapital von 250.000 DM gegründet. Seit 1990 war die Beklagte die einzige Gesellschafterin. Die Insolvenzschuldnerin nahm am sog. Drecon-Verfahren der Beklagten teil, einem Cash-Pool-Verfahren, bei dem die Salden auf den Konten der Insolvenzschuldnerin täglich durch Überweisung der entsprechenden Beträge zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin ausgeglichen wurden. Mit Schreiben vom 18.9.1995 wies die Insolvenzschuldnerin die Beklagte darauf hin, dass aus ihrer Sicht das Grundkapital von 250.000 DM der zwischenzeitlichen Steigerung des Jahresumsatzes von seinerzeit 2,7 Mio. DM auf rd. 20 Mio. DM nicht gerecht werde und bei weitem zu niedrig sei und bat um eine Kapitalerhöhung auf 5 Millionen DM (Anl. K 7, K 10). Die Hauptverwaltung der Beklagten nahm hierzu in einem Schreiben an die Hauptniederlassung L. vom 27.11.1995 Stellung (Anl. K 8). Hierin wies sie darauf hin, dass die Gesellschaft, wie die meisten Tochtergesellschaften, zwar "für sich alleine betrachtet unterkapitalisiert" sei. Eine Kapitalerhöhung sei dennoch aus mehreren Gründen nicht erforderlich. In dem Schreiben heißt es hierzu u.a.: "Die Finanzierung der Beteiligungsgesellschaften ist grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt über die C. + C. Bauaktiengesellschaft sichergestellt. Das heißt, es besteht nicht die Gefahr eines Liquiditätsengpasses wegen unzureichender Eigenkapitalausstattung."
Am 12.2.2001 beschloss die Beklagte, die Insolvenzschuldnerin mit sofortiger Wirkung von dem Drecon-Verfahren auszuschließen. Gleichzeitig stellte sie ihr eine Kreditlinie von 300.000 DM zur Verfügung. Am 24.8.2001 beantragte die Insolvenzschuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Der Kläger hat die Klage auf die Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff und auf § 826 BGB gestützt. Die Haftung der Beklagten ergebe sich sowohl aus der Beendigung der Teilnahme der Insolvenzschuldnerin am Drecon-Verfahren als auch aus einer im Verhältnis zum Umsatz erheblichen Unterkapitalisierung der Insolvenzschuldnerin.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle zur Insolvenztabelle angemeldeten und festgestellten Forderungen der Gläubiger der Fa. N. M. GmbH durch Zahlung in die Insolvenzmasse auszugleichen, soweit diese nicht durch die vorhandene Insolvenzmasse abzüglich Massekosten und Masseschulden gedeckt sind. Dabei tritt die Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 2 InsO nicht ein, soweit die Beklagte keine Gelegenheit zum Widerspruch hatte.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage stattgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Die Beklagte beantragt mit ihrer form- und fristgerecht eingereichten Berufung die Abweisung der Klage.
Die Beklagte rügt, dass der vorliegende Sachverhalt weder in den Anwendungsbereich der auf Richterrecht beruhenden Existenzvernichtungshaftung falle, noch das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Haftung zutreffend geprüft und festgestellt habe. Die Haftung setze einen Eingriff des (Allein)gesellschafters in das Vermögen der GmbH voraus, der zur Folge habe, dass die GmbH ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen könne. Diese Voraussetzungen habe das Landgericht nicht beachtet, ferner habe es Beweisantritte zur fehlenden Ursächlichkeit der vom Gericht als existenzvernichtenden Eingriff eingestuften Maßnahme für den Insolvenzantrag übergangen.
Die Beendigung der Teilnahmemöglichkeit am sog. Drecon-Verfahren sei aus mehreren Gründen kein haftungsbe...