Leitsatz (amtlich)
1. Ein Klageantrag, der auf allgemeine Geschäftsbedingungen als Ganzes Bezug nimmt, kann dahin auszulegen sein, dass diese in ihrer Gesamtheit und nicht einzelne Klauseln Gegenstand des Verfahrens sein sollen.
2. Ein Anspruch nach § 1 UKlaG kommt nicht in Betracht, wenn sich der Kläger gegen die Geschäftsbedingungen der Beklagten in ihrer Gesamtheit richtet.
3. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und eine nicht wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann anzunehmen sein, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Verhältnis zur Bedeutung des Geschäfts einen vertretbaren Umfang überschreiten. Dies ist allerdings vom Anspruchsteller dazulegen, so dass der pauschale Verweis auf die erhebliche Länger (hier ca. 83 DIN A4 Seiten) nicht ausreicht.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 2 Nr. 2, § 307 Abs. 1 S. 2; UWG §§ 3a, 5 Abs. 1 Nrn. 3, 7; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 31 O 164/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 25.06.2019 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 164/18 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Nutzung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in ihrer Gesamtheit.
Der Kläger ist eine in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste nach § 4 Abs. 1 S. 1 UKlaG eingetragene qualifizierte Einrichtung. Er hat gemäß § 2 seiner Satzung den Zweck, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
Die Beklagte bietet ein internetbasiertes Verfahren für bargeldlose Zahlungen im elektronischen Geschäftsverkehr an. Die von der Beklagten und von mit dieser verbundenen Unternehmen für den Online-Bezahldienst bereitgestellte Bezahlplattform "PayPal" ermöglicht es den ca. zweihundert Millionen privaten und gewerblichen Nutzern weltweit, auf elektronischem Wege Geld zu transferieren. Den zwischen der Beklagten und den Nutzern geschlossenen Verträgen lagen die als Anlage K3 eingereichten PayPal-Nutzungsbedingungen mit Stand vom 25.05.2018 zugrunde. Hierbei verwandte die Beklagte auf der Internetseite www.paypal.com ein Anmeldeformular wie in Anlage K1 wiedergegeben. Für mobile Endgeräte besteht die Möglichkeit des Vertragsabschlusses über eine Applikation mit dem in Anlage K2 wiedergegebenen Anmeldeformular.
Mit Schreiben vom 14.01.2018 mahnte der Kläger die Beklagte wegen der Verwendung der Nutzungsbedingungen mit Stand vom 09.01.2018 ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, die Beklagte handele unlauter im Sinne der §§ 3, 3a, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 und Nr. 7 UWG in Verbindung mit § 305 Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, weil sie gegenüber den Nutzern den Eindruck erwecke, die streitgegenständlichen Nutzungsbedingungen würden bei Abschluss des Vertragsverhältnisses wirksam einbezogen, obwohl dies nicht der Fall sei. Hierzu hat er geltend gemacht, dass die Nutzungsbedingungen in ausgedruckter Form - insoweit unstreitig - insgesamt 83 DIN A4 Seiten umfassten und damit zu lang seien. Ein durchschnittlicher Leser benötige 80 Minuten für die Lektüre der Nutzungsbedingungen. Auf einem mobilen Endgerät wie etwa dem Mobiltelefon Samsung Galaxy S7 müsse der Nutzer ca. 330mal die Bildschirmdarstellung verschieben ("scrollen"), um vom Inhalt der Nutzungsbedingungen in vollem Umfang Kenntnis nehmen zu können. Unter Zugrundelegung einer Lesegeschwindigkeit von 250 Wörtern pro Minute benötige er für das Lesen der Nutzungsbedingungen der Beklagten in ausgedruckter Form rund 80 Minuten, in elektronischer Form auf einem mobilen Endgerät nochmals länger. Zudem seien die Nutzungsbedingungen inhaltlich nicht hinreichend verständlich formuliert. Hierzu hat der Kläger behauptet, die Nutzungsbedingungen einer Analyse unter Einsatz der Verständlichkeitssoftware TextLab unterzogen zu haben, welche formale Texteigenschaften wie Wort- und Satzlänge und Worthäufigkeit anhand verschiedener Lesbarkeitsformeln sowie anhand bis zu 80 Kennzahlen analysiere. In diesem Zusammenhang hat er behauptet, die Analyse habe für die streitgegenständlichen Nutzungsbedingungen einen Wert von lediglich 3,18 nach dem "Hohenheimer Verständlichkeitsindex" (HIX) ergeben. Dieser ordne die Verständlichkeit von Texten auf einer Skala von 0-20 ein, wobei beruhend auf Studien des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim für Fachtexte ein Zielwert...