Entscheidungsstichwort (Thema)
Pulheimer Zeitung
Leitsatz (amtlich)
Der Titelbestandteil "Zeitung" eines an Haushalte kostenlos verteilten periodischen Druckerzeugnisses, das neben Anzeigen in nennenswertem Umfang auch redaktionelle Text- und Bildbeiträge mit vorwiegend lokaler Ausrichtung enthält, bewirkt keine erhebliche Irreführung der damit angesprochenen Durchschnittsverbraucher.
Normenkette
UWG § 5
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 18.10.2012; Aktenzeichen 31 O 211/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18.10.2012 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln - 31 O 211/12 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im Verlag des Beklagten erscheint seit September 2011 eine anzeigenfinanzierte, monatlich auf herkömmlichem Zeitungspapier gedruckte, im Stadtgebiet von Pulheim kostenlos verteilte Publikation. Begleitend betreibt der Beklagte einen laufend aktualisierten Internetauftritt. Die Klägerin, ein mehrere Tageszeitungen herausgebendes großes Verlagshaus, hält den für diese Veröffentlichungen in der konkreten Gestaltung von Oktober 2011 verwendeten Titel "Pulheimer Zeitung" für irreführend, weil Leser und Anzeigenkunden darunter kein bloßes Anzeigenblatt erwarteten. Nachdem das LG Köln auf ihren Antrag eine einstweilige Verfügung erlassen und der Beklagte darauf den Titel in "Pulheimer Anzeiger" geändert, die verlangte Abschlusserklärung aber nicht abgegeben hatte, ist er von ihr klageweise in Anspruch genommen worden. Mit dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das LG dem Beklagten untersagt, ein Anzeigenblatt unter Verwendung des Titels "Pulheimer Zeitung" zu verlegen und/oder den begleitenden Internetauftritt unter dieser Bezeichnung anzubieten, wenn dies wie in der wiedergegebenen konkreten Gestaltung geschieht. Dagegen richtet sich die den Klageabweisungsantrag weiter verfolgende Berufung des Beklagten. Die Klägerin verteidigt das Urteil des LG.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1. Die von den Richtern der Zivilkammer unterzeichnete Urschrift des angefochtenen Urteils enthält selbst keine Abbildungen; in den Urteilsausfertigungen fehlt die Wiedergabe der Bildschirmansicht des Internetauftritts aus der Beschlussverfügung vom 26.10.2011. Diese offenbare Unrichtigkeit ist indes unschädlich (vgl. § 319 Abs. 1 ZPO; BGH GRUR 2004, 975 [976]; NJW-RR 2008, 367; Teplitzky, GRUR 2007, 177 [186]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., vor § 300 Rz. 13; § 313 Rz. 25); der Senat legt seiner Beurteilung der konkreten Verletzungsform beide Abbildungen zugrunde.
2. Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG - der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - auf Unterlassung der Verwendung des Titelbestandteils "Zeitung" für die anzeigenfinanzierte Publikation besteht nicht, denn die Erwartung des angesprochenen Verkehrs an ein so bezeichnetes Blatt wird - wie der aus Zeitungslesern bestehende und in Wettbewerbssachen erfahrene Senat selbst feststellen kann - nicht enttäuscht.
a) Begegnet der durchschnittlich informierte und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher auf der Frontseite einer Druckschrift dem Begriff "Zeitung", so verbindet er damit allerdings die Vorstellung einer Publikation, die nicht nur in Bezug auf Format, Papier, Faltung und periodische Erscheinungsweise an herkömmliche Tages- oder Wochenzeitungen erinnert, sondern außer einem Anzeigenteil auch aktuelle redaktionelle Beiträge enthält. Konkrete Erwartungen an die Herkunft der redaktionellen Artikel, die Zahl der Redakteure, die Bild- und Textanteile sowie die Abgabebedingungen einer solchen Zeitung hegt er aber nicht, weshalb er insbesondere durch die Bezeichnung eines ausschließlich anzeigenfinanzierten Blattes mit vorwiegend lokaler Ausrichtung als (Gratis-) "Zeitung" (vgl. BGH WRP 2004, 746 - Zeitung zum Sonntag) nicht in die Irre geführt wird.
Die dem Urteil des Senats vom 20.11.1998 - 6 U 6/98 (NJWE-WettbR 1999, 126 = MD 1999, 188) - zugrunde liegende Annahme, dass bei Zeitungen das Verbraucherverständnis seit Jahrzehnten durch die "klassischen" Abonnements- und Boulevardzeitungen geprägt worden sei, trifft weiterhin zu. Richtig ist aber auch, dass der Zeitungsmarkt einem beständigen Wandel unterliegt, der sich durch Veränderungen des Kommunikationssektors in jüngerer Zeit weiter beschleunigt hat, weshalb nicht schon jede Abweichung von dem überkommenen Leitbild Fehlvorstellungen auslöst. Während der Begriff "Anzeiger" im Titel mancher journalistisch anspruchsvollen Tageszeitung kaum noch an ihre historischen Ursprünge ...