Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht bei einem Kaufvertrag nach CISG hier: Aufrechnung nach italienischem Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Beruft sich in einem dem CISG unterliegenden Kaufvertragsverhältnis eine Partei auf Aufrechnung, ist auf das nach dem IPR des Forumstaates anzuwendende Recht zurückzugreifen, da das CISG keine Regelungen zur Aufrechnung enthält.
Kommt hiernach italienisches Recht zur Anwendung, so ist zwischen einer sog. "Legalaufrechnung" und einer gerichtlichen Aufrechnung zu unterscheiden (Art. 1243 CC).
2. Zurückbehaltungsrechte im Rahmen eines Kaufvertrages, der dem CISG unterliegt, beurteilen sich ausschließlich nach Art. 71 CISG und nicht nach nationalem Schuldrecht.
Normenkette
EGBGB Art. 28 Abs. 2; CISG Art. 71
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 08.11.2007; Aktenzeichen 14 O 3/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin sowie die Berufung der Beklagten gegen das am 8.11.2007 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Bonn - 14 O 3/07 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 70 % und die Klägerin zu 30 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Schuldner können die Zwangsvollstreckung durch den jeweiligen Gläubiger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der jeweilige Gläubiger selbst vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin und die Beklagte vertrieben gewerbsmäßig chemische Produkte für den landwirtschaftlichen Gebrauch und standen in ständigen Lieferbeziehungen.
Die Klägerin hat in erster Instanz Erfüllungsansprüche aus der Lieferung von Pflanzenschutzmitteln i.H.v. 661.156,54 EUR sowie Transportkosten geltend gemacht. Die Beklagte hat das Fehlen der internationalen Zuständigkeit des LG Bonn gerügt, zu einigen der geltend gemachten Forderungen Einwendungen erhoben und im Übrigen die Aufrechnung mit Gegenansprüchen erklärt.
Mit Urteil vom 8.11.2007 hat das LG unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte zur Zahlung von 477.356,54 EUR zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher Kosten verurteilt. Es hat nach Vernehmung von Zeugen den auf die Rechnung Nr. 44 (Produkt "U") i.H.v. 165.000 EUR gestützten Zahlungsanspruch verneint und insoweit eine von der Beklagten behauptete Aufhebungsvereinbarung als bewiesen angesehen. Bei der Rechnung Nr. 45 ("B") hat es einen Abzug von 16.800 EUR als gerechtfertigt angesehen, weil es sich insoweit um eine nicht vereinbarte Mehrlieferung gehandelt habe. Im Übrigen hat das LG der Klage weitgehend stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der vom LG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, der erstinstanzlichen Anträge der Parteien sowie der Rechtsausführungen des LG wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 391 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien frist- und formgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel jeweils in prozessordnungsgemäßer Weise begründet.
Die Klägerin beanstandet die Beweiswürdigung des LG, soweit dieses die auf die Rechnung Nr. 44 gestützte Klage abgewiesen hat. Sie ist der Auffassung, dass aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der in erster Instanz vernommenen Zeugen der Nachweis einer Aufhebungsvereinbarung nicht erbracht sei. Soweit das LG die Klageforderung in Höhe weiterer 16.800 EUR gekürzt hat, hat die Klägerin dies zwar akzeptiert, zunächst aber mit der Berufung Schadensersatz in gleicher Höhe begehrt, weil die Beklagte trotz Aufforderung keine Bereitschaft zur Rückgabe der zuviel gelieferten Ware erklärt habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie die Klage insoweit zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteils im Übrigen zu verurteilen, an die Klägerin weitere 165.000 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. jeweils 7 Prozentpunkten über dem HRG-Satz für die Hauptrefinanzierungsoperation in der europäischen Zentralbank seit dem 29.8.2006 zu zahlen;
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Klage auch im Übrigen abzuweisen;
2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Auch die Beklagte rügt die - zu ihren Lasten gehende - Beweiswürdigung des LG, des Weiteren die rechtliche Würdigung, soweit das LG ihr eine Verletzung der Rüge- und Untersuchungspflicht betreffend die Lieferung von "N" vorgeworfen hat. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, dass die von ihr in erster Instanz erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen i.H.v. jeweils 20.000 EUR gegenüber Rechnung Nr. 68 "P" und Rechnung Nr. 58 "Q" in ein Zurückbehaltungsrecht umzudeuten gewesen wären. Rein vorsorglich macht die Beklagte ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht nunmehr in zweiter Instanz ausdrücklich geltend. Bezüglich der Klageforderung aus der Rechnung Nr. 68 "P" stützt sie dieses Zurückbehaltungsrecht auch auf einen behaupteten Deckungskauf in der Größenordnung von 26.432 EUR. Des Weiteren macht sie ggü. der Klage...