Entscheidungsstichwort (Thema)

Äquipotenzbehauptung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Werbeaussage zur Äquipotenz eines Arzneimittels mit einem Vergleichspräparat, die sich sinngemäß auf die von der Zulassungsbehörde gebilligte Fachinformation des Arzneimittels stützt, kann nicht allein deshalb als irreführend angesehen werden, weil es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Änderung der Fachinformation mit Einschränkung der Äquipotenzaussage gekommen ist.

 

Normenkette

UWG §§ 3a, 5; HWG § 3; AMG §§ 8, 11a

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 08.03.2016; Aktenzeichen 33 O 159/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 08.03.2016 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln - 33 O 159/14 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Dieses Urteil und das des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin vertreibt das Arzneimittel B.® (B.). Die Beklagten vertreiben seit Januar 2012 das Arzneimittel X.® 50 LD50-Einheiten (X.), das vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im August 2011 in Deutschland für die Indikationen Blepharospasmus, zervikale Dystonie und Spastik der oberen Extremitäten bei Erwachsenen nach Schlaganfall zugelassen wurde. Beide Medikamente enthalten als Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A und sind verschreibungspflichtig.

In der deutschen Fachinformation für X., Stand August 2011, heißt es unter 4.2:

"Ergebnisse vergleichender klinischer Studien legen nahe, dass X. und das Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum Toxin Typ A-Komplex (900 kDa) äquipotent sind, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden."

Bei dem "Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ A-Komplex (900 kDa)" handelt es sich um B..

Die deutsche Fachinformation für X., Stand Dezember 2011, hat unter 4.2 folgenden geänderten Wortlaut:

"Ergebnisse vergleichender Studien weisen auf eine Äquipotenz von "X." und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ A-Komplex (900 kDa) hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden."

Ab Januar 2012 gaben die Beklagten eine Werbekarte für X. an Ärzte ab, die den Titel "Ihre Kunst. Unsere Forschung" trug, eine Abbildung des Behältnisses und der Umverpackung des Arzneimittels zeigte und den Text

"X.® 50 U vial*

Erhältlich ab 15.1.2012"

enthielt; der Sternchenhinweis führte zu der im vorliegenden Verfahren mit Unterlassungsklage angegriffenen Aussage:

"Ergebnisse vergleichender Studien weisen auf eine Äquipotenz von "X." und dem Vergleichspräparat mit herkömmlichem Botulinum-Toxin-Typ A-Komplex (900 kDa)hin, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 dosiert werden."

sowie dem weiteren Satz

"Die für X.® empfohlenen Dosierungseinheiten sind nicht auf andere Botulinumtoxin-Präparate übertragbar. (Fachinformation X.® Dezember 2011, Absatz 4.2)"

Die Klägerin hält die Angabe über die Äquipotenz für irreführend, u.a. unter Verweis auf die Fachinformation für X., Stand April 2012, in der die zitierte Aussage nicht mehr enthalten ist, und in der es statt dessen heißt:.

"4.2... Für detaillierte Informationen zu klinischen Studien mit X. im Vergleich zum herkömmlichen Botulinum-Toxin-Typ A-Komplex (900 kDa) siehe Abschnitt 5.1.

...

5.1...

Ergebnisse klinischer Studien

Nichtunterlegenheit der Wirksamkeit von X. zum Vergleichsprodukt, welches den herkömmlichen Botulinumtoxin Typ A Komplex enthält, wurde in zwei Phasen III Vergleichsstudien nach Einmalgabe gezeigt, eine davon in Patienten mit Blepharospasmus (Studie MRZ 60201-0003; 300 Patienten), die andere in Patienten mit zervikaler Dystonie (Studie MRZ 60201-0013, 463 Patienten). Die Studienergebnisse weisen auch darauf hin, dass X. und dieses Vergleichspräparat ein ähnliches Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil bei Patienten mit Blepharospasmus oder zervikaler Dystonie haben, wenn sie in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1 angewendet werden (siehe Abschnitt 4.2).

In der Zulassungsstudie (doppelblinde, multizentrische, Placebo-kontrollierte, Studie, EudraCT Nummer 2005-003951-11) mit Patienten mit Spastik der oberen Extremität nach Schlaganfall, wurden 148 Patienten randomisiert, um X. (N=73) oder Placebo (N=75) entsprechend den Dosierungsempfehlungen für die Initialbehandlung wie in Abschnitt 4.2 dieser Fachinformation aufgeführt, zu erhalten ..."

Die hier beanstandete Angabe auf der Werbe-Abgabekarte war bereits Gegenstand eines in Hamburg geführten Eilverfahrens; mit Urteil vom 30.01.2014 (3 U 133/12, Bl. 26 ff. GA = WRP 2014, 615) hat das OLG Hamburg den Antrag der Klägerin auf Erlass eine einstweiligen Unterlassungsverfügung zurückgewiesen.

Die Angaben in den o.a. Fachinformat...

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