Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb eines vom Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens: Deliktische Haftung des Fahrzeugherstellers bei Einbau eines zugekauften Dieselmotors
Leitsatz (amtlich)
Hat der Automobilhersteller den Dieselmotor nicht selbst entwickelt und hergestellt, sondern diesen in Gänze vom Hersteller bezogen und in seine Fahrzeuge lediglich eingebaut und liegen sowohl das Inverkehrbringens des Pkw (hier: Juni 2015) als auch der Fahrzeugkauf (hier: Oktober 2016) deutlich vor dem Bekanntwerden der Diesel-Problematik bei den Fahrzeugen des Herstellers (hier: Rückrufe des KBA 2017 und 2018), so ist eine arglistige Täuschung des Käufers durch den Fahrzeughersteller im Kaufzeitpunkt nicht gegeben.(Rn. 33) (Rn. 34) (Rn. 36)
Normenkette
BGB § 826
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 30.04.2020; Aktenzeichen 36 O 53/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.04.2020 verkündete Urteil der 36. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 36 O 53/19 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin, deren Fahrzeug Porsche Cayenne vom sogenannten "Abgas-Skandal" betroffen ist.
Die Klägerin verlangt Rückzahlung des Kaufpreises von netto ... nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des am 18.10.2016 gekauften, am 02.11.2016 ausgelieferten Pkw Porsche Cayenne 3,0 l Diesel (gemäß verbindlicher Bestellung als Gebrauchtfahrzeug, Erstzulassung 15.06.2015, km-Stand 25.361 km, vgl. Bl. 13 d.A.) ohne Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung, ferner die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Ein Software-Update wurde im September 2018 durchgeführt.
Die Klägerin hat vorgerichtlich mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.01.2019 gegenüber der Beklagten die Rückzahlung des Brutto-Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung sowie die Erstattung der Rechtsanwaltskosten Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs unter Fristsetzung bis zum 31.01.2019 verlangt. Sie habe erstmalig mit Schreiben der Beklagten im September 2017 von der Manipulationssoftware erfahren.
Die Klägerin hat behauptet, sie hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typengenehmigung durch Einsatz einer Manipulationssoftware erschlichen worden sei. Das Aufspielen des Updates ändere hieran nichts; es komme allein auf den Zeitpunkt des - ungewollten - Kaufs an. Sie sei bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht und geschädigt worden; die Beklagte schulde ihr daher Schadensersatz ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
...
Die Beklagte hat im ersten Rechtszug beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, es liege weder eine Täuschung noch eine Schädigung der Klägerin und auch kein Mangel an dem Pkw vor. Das Fahrzeug sei technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich. Jedenfalls sei ein etwaiger Mangel durch das von dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) genehmigte Software-Update behoben.
Wegen des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug im Übrigen wird auf die Darstellung im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehe nicht, weil eine von der Beklagten begangene vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht hinreichend dargelegt sei. Die Beklagte sei nicht Herstellerin des im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors, sondern habe diesen bei der ... AG gekauft und anschließend im Fahrzeug verbaut. Sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Motor in allen Einzelheiten zu untersuchen und zu prüfen. Allein eine vollständige Prüfung der Motorsteuerungssoftware sei aber geeignet gewesen, die unzulässige Abschalteinrichtung zu entdecken. Die Beklagte habe substantiiert dargelegt, dass bei Aufkommen der Dieselproblematik zunächst nur der US-amerikanische Markt betroffen gewesen sei und die ... AG ihr auf Nachfrage wiederholt bestätigt habe, dass die europäischen Aggregate keine unzulässigen Abschaltvorrichtungen enthielten. Hierauf habe der Vorstand der Beklagten sich verlassen und habe keinen Anlass zu weiteren Nachforschungen gehabt. Das Vorbringen der Klägerin, alsbald nach November 2015 habe sich herausgestellt, dass auch andere Motorentypen betroffen seien, sei nicht hinreichend substantiiert, so dass die Beklagte auch keine weitere sekundäre Darlegungslast getroffen habe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im ersten Rechtsz...