Entscheidungsstichwort (Thema)
Fachanwälte im Briefkopf
Leitsatz (amtlich)
1. Erhebt der Schuldner eines wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs nach Abmahnung negative Feststellungsklage, ist das mit der Klage befasste Gericht für den Verfügungsantrag des Gläubigers nicht ausschließlich zuständig.
2. Wird außerhalb der Kurzbezeichnung einer Anwaltssozietät in deren Briefkopf der Begriff "Fachanwälte" verwendet, darf die Gestaltung des Briefkopfs keinen Zweifel an der Qualifikation der einzelnen benannten Berufsträger aufkommen lassen. Irreführend ist es, wenn potentielle Mandanten den unzutreffenden Eindruck gewinnen, alle aufgezählten Rechtsanwälte seien berechtigt, zumindest einen Fachanwaltstitel zu führen; der Hinweis auf nähere Angaben im Internetauftritt der Sozietät wirkt der damit verbundenen Anlockwirkung nicht hinreichend entgegen.
Normenkette
ZPO §§ 937, 943; UWG § 5
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 26.01.2012; Aktenzeichen 81 O 7/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Köln - 81 O 7/12 - vom 26.1.2012 abgeändert und im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet:
1. Die Antragsgegnerin hat es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr den aus der nachfolgenden Wiedergabe der Anlage Fn. 3 ersichtlichen Briefkopf zu verwenden und hierbei nicht deutlich zu machen, welchem Anwalt welche Fachanwaltschaft zuzuordnen ist, wie in der rechten Spalte des Briefkopfes ohne Klarstellung auf Vorder- oder Rückseite der Anlage Fn. 3 geschehen.
(Originalentscheidung enthält Briefkopf) 2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gem. Nr. 1 Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
I. Die Verfahrensbeteiligten sind Rechtsanwaltsgesellschaften. Die Antragstellerin sieht den vorstehend wiedergegebenen Briefkopf der Antragsgegnerin mit der Angabe "Fachanwälte für" als irreführend an, weil er den Eindruck einer Sozietät von Spezialisten für nahezu jedes Fachgebiet erwecke, ohne die jeweiligen Fachanwälte hinreichend deutlich zu bezeichnen; unstreitig sind nicht alle Anwälte der Antragsgegnerin (am Kanzleisitz L. beispielsweise nur wenig mehr als die Hälfte der Anwälte) berechtigt, einen (oder mehrere) Fachanwaltstitel zu führen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren vom LG zurückgewiesenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter. Die zuvor abgemahnte Antragsgegnerin, die vor Anbringung des Verfügungsantrags negative Feststellungsklage bei dem LG G. eingereicht hatte, rügt die Unzuständigkeit der Kölner Gerichte und verteidigt in der Sache den Zurückweisungsbeschluss.
II. Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Die (nicht durch § 571 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeschlossene) Unzuständigkeitsrüge der Antrags- und Beschwerdegegnerin geht fehl. Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig (§ 937 Abs. 1 ZPO). Zwischen mehreren Gerichtsständen des deliktischen Begehungsortes (§ 32 ZPO) hat der Antragsteller die Wahl; erst wenn die Hauptsache bei einem bestimmten Gericht anhängig geworden ist, bleibt dieses auch für das Verfügungsverfahren ausschließlich zuständig (§ 943 Abs. 2 ZPO). Hauptsache in diesem Sinn ist bei interessengerechter Auslegung aber nur die vom Gläubiger erhobene Leistungsklage und nicht eine negative Feststellungsklage des durch die Abmahnung gewarnten Schuldners (vgl. Steinbeck, NJW 2007, 1783 [1784]; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 54 Rz. 3 m.w.N.), denn dieser hätte es sonst in der Hand, durch sofortige Erhebung der Feststellungsklage den ihm genehmen Gerichtsstand festzulegen und dem Gläubiger aufzuzwingen (vgl. BGH GRUR 1994, 846 [848] = WRP 1994, 810 - Parallelverfahren II; GRUR 2011, 828 [Rz. 15] = WRP 2011, 1160 - Bananabay II).
Soweit das LG Bonn (Urt. v. 13.12.2006 - 1 O 360/06, zitiert im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 16.4.2012) einen Gläubiger nicht für schutzwürdig gehalten hat, der nach Widerspruch gegen eine Beschlussverfügung bei anderweitig anhängiger negativer Feststellungsklage keine Leistungsklage am Gerichtsstand seiner Wahl erhoben hatte, ist dem zumindest für die Konstellation des Streitfalles nicht zu folgen; den Gläubiger schon während des Verfügungsverfahrens in eine zusätzliche Leistungsklage zu treiben, widerspräche hier gerade dem hinter den Zuständigkeitsregeln stehenden Gedanken der Prozessökonomie (vgl. Steinbeck, a.a.O., [1785]) und könnte überdies den Vorwurf der missbräuchlichen Mehrfachverfolgung begründen (BGHZ 144, 165 [171] = GRUR 2000, 1089 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH, GRUR 2002, 715 [716] = WRP 2002, 977 - Scanner-Werbung; vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2009, 183 = WRP 2009, 863 - Hauptsacheklage nach Widerspruch m.w.N.).
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