Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshaftung. Gemeinde. Baugesuch. Untätigkeit. Verschulden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Baugesuch von Beamten des Bauamts der Gemeinde pflichtwidrig nicht bearbeitet, so ist es der deshalb auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Gemeinde verwehrt, geltend zu machen, das Baugesuch hätte nach § 15 BauGB zurückgestellt werden können, wenn eine entsprechende Beschlußfassung des Gemeinderats oder Weisung der Verwaltungsspitze nicht vorlag.

2. Hat das Verwaltungsgericht in dem von dem Bauwilligen angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Erteilung der Baugenehmigung rechtskräftig festgestellt, daß die Gemeinde verpflichtet war, vor dem Inkrafttreten einer nach Einreichung des Baugesuchs erlassenen Veränderungssperre dem Baugesuch stattzugeben, so steht die Bindungswirkung dieses Urteils des Verwaltungsgerichts dem Einwand der Gemeinde im Amtshaftungsprozeß entgegen, ihr habe das Instrumentarium gem. §§ 14, 15 BauGB zur Verfügung gestanden.

3. Die Haftung für eine schuldhaft begangene Amtspflichtverletzung entfällt nicht deshalb, weil der Beamte eine andere, zu demselben Ergebnis führende rechtswidrige Maßnahme hätte treffen können, ohne sich einem Schuldvorwurf auszusetzen.

 

Normenkette

BGB § 839; OBG NW § 39; BBauG §§ 14-15; BGB § 852

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 11.01.1994; Aktenzeichen 5 O 241/93)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 28.09.1995; Aktenzeichen III ZR 202/94)

 

Tenor

Die Berufung gegen das am 11. Januar 1994 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 5 O 241/93 – wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,– DM abwenden, falls nicht die Kläger eine entsprechende Sicherheitsleistung vor der Vollstreckung anbieten. Die Sicherheit kann jeweils auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

 

Tatbestand

Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 10.08.1987 die Erteilung der bauaufsichtlichen Genehmigung zur Nutzungsänderung für den Betrieb einer Spielhalle auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück H.straße 28 in F., für dessen Erdgeschoß der Betrieb einer Gaststätte genehmigt war. Mit Schreiben ihres Bauordnungsamtes vom 30.09.1987 antwortete die Beklagte, die Stadtvertretung habe in ihrer Sitzung vom 29.10.1985 beschlossen, den derzeit noch geltenden Bebauungsplan zu ändern und darin für das fragliche Gebiet Spielhallen für unzulässig zu erklären. Angesichts dessen seien die Voraussetzungen für eine Veränderungssperre im Sinne des § 14 Baugesetzbuch gegeben. Es könne daher die Entscheidung über die Zulässigkeit des beantragten Bauvorhabens gemäß § 15 Abs. 1 Baugesetzbuch ausgesetzt werden, da sonst die Durchführung der neuen Planung der Stadt wesentlich erschwert werde. Die Kläger wurden abschließend um Mitteilung gebeten, ob sie angesichts dieser Sach- und Rechtslage ihren Antrag zurückziehen oder einen förmlichen Zurückstellungsbescheid wünschen würden. Mit Anwaltsschreiben vom 22.10.1987 wiesen die Kläger auf die haftungsrechtlichen Konsequenzen einer Ablehnung des Bauvorhabens hin und machten deutlich, daß sie ihren Antrag gegebenenfalls gerichtlich weiterverfolgen würden. Sie reichten am 30.11.1987 Untätigkeitsklage beim VG Köln (13 K 4904/87) ein. Am 08.03.1988 beschloß der Rat der beklagten Stadt, den Bebauungsplan Nr. 18.1 F – der unter anderem das Grundstück der Kläger erfaßte – neu aufzustellen. Am 05.07.1988 beschloß die Stadtvertretung die Satzung über eine Veränderungssperre im Bereich des Bauleitplanentwurfes Nr. 18.1 F. Die Satzung wurde im Amtsblatt der Beklagten vom 16.08.1988 bekannt gemacht. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.08.1988 den Antrag der Kläger vom 10.08.1987 auf Änderung der Nutzungsgenehmigung für den Betrieb einer Spielhalle ab. Die auf Erteilung der Nutzungsänderungsgenehmigung gerichtete Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten in zwei Instanzen erfolglos; während des Berufungsverfahrens hatte die Stadtvertretung der Beklagten am 12.06.1990 einen Bebauungsplan beschlossen, der die Unzulässigkeit von Spielhallen in dem hier in Rede stehenden Bereich festsetzte. Auf den Hilfsantrag der Kläger stellte das OVG Münster mit – rechtskräftigem – Urteil vom 26.02.1992 fest, daß die Beklagte verpflichtet war, bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre im Bereich des Bebauungsplans Nr. 18.1 F die mit Antrag vom 10.08.1987 beantragte Baugenehmigung zu erteilen. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangen die Kläger, die das Grundstück H.straße 28 in F. 1992 veräußert haben, den Ersatz des durch die unterbliebene Genehmigung entstandenen Schadens. Zwischen Januar 1990 und November 1992 seien ihnen insgesamt 76.000,– DM an höheren Mieteinnahmen entgangen. Bei der Veräußerung des Grundstücks wäre, sofern die Nutzungsänderung rechtzeitig genehmigt worden wäre, ein Mehrverkaufspreis von 5...

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