rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Autorecht. Haftung bei Herausforderung
Leitsatz (amtlich)
Wer sich der polizeilichen Festname durch Flucht entzieht, haftet für den bei der Verfolgung eintretenden Körperschaden des Polizeibeamten, wenn dieser gegen ein plötzlich auftauchendes Einsatzfahrzeug läuft, daß dem Fliehenden den Fluchtweg versperren will.
Normenkette
BGB § 823; LBG § 99
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 21 O 354/99) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14. Februar 2000 – 21 O 354/99 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat, anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den „Verfolgerfällen” (vgl. u.a. BGH NJW 1996, 1533 ff.), mit zutreffenden Argumenten, denen der Senat sich anschließt, eine alleinige Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 99 LBG bejaht. Nach dieser Rechtsprechung kann jemand, der durch vorwerfbares Tun einen anderen zu selbstgefährdendem Verhalten herausfordert, diesem anderen dann, wenn dessen Willensentschluss auf einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation beruht, aus unerlaubter Handlung zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, der infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist. Eine auf solcher Grundlage beruhende deliktische Haftung ist vom Bundesgerichtshof insbesondere in Fällen bejaht worden, in denen sich jemand der (vorläufigen) Festnahme durch Polizeibeamte oder andere dazu befugte Personen durch die Flucht zu entziehen versucht und diese Personen dadurch in vorwerfbarer Weise zu einer sie selbst gefährdenden Verfolgung herausgefordert hat, wobei sie dann infolge der gesteigerten Gefahrenlage einen Schaden erlitten haben (BGH a.a.O.; BGH NJW 1990, 2885 = LM § 823 (C) BGB Nr. 64 = VersR 1991, 111 (112) m.w.Nachw.). Die Überbürdung des „gesteigerten” Verfolgungsrisikos auf den Fliehenden führt jedenfalls dann nicht zu einer unangemessenen Gefahrenverlagerung auf den Fliehenden, wenn er weiß, dass es sich bei seinen Verfolgern um eine Person mit entsprechenden beruflichen Einsatzpflichten handelt. So liegt es hier. Die Zeugen K. und A. trugen Polizeiuniformen, der Zeuge A. hat, als der Beklagte die Beifahrertür öffnete, um zu fliehen, „Halt, Polizei, Stehen bleiben” gerufen, wie die Zeugen übereinstimmend bekundet haben. Wenn der Beklagte dem nicht folgte, sondern den beiden Zeugen die zuvor entwendeten Musikkassetten entgegenwarf und weglief, so folgt daraus, dass er trotz seiner Alkoholisierung die Situation richtig erkannt und es gleichwohl vorgezogen hat, sich der drohenden Festnahme durch Flucht zu entziehen, statt Stehen zu bleiben. WE. die Verfolgung des fliehenden Beklagten durch den Zeugen A., der hinter dem Beklagten hergelaufen ist, noch das Versperren des Fluchtweges mit dem vom Zeugen E. gelenkten Einsatzfahrzeug waren unangemessen, so dass die dadurch beim Zeugen A. eingetretene Körperverletzung vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB gedeckt war und dem Beklagten deshalb objektiv zuzurechnen ist. Dass das Einsatzfahrzeug infolge der auf dem Gehweg befindlichen Blütenblätter möglicherweise später als beabsichtigt zum Stehen kam, ändert hieran nichts; zum einen waren die Blätter bei Dunkelheit kaum rechtzeitig zu erkennen, zum anderen musste der Zeuge E. sehr schnell reagieren, so dass ihm keine Gelegenheit blieb, auch noch derartige Risiken wie die Verlängerung des Bremsweges durch Blütenblätter abzuwägen.
Auch die subjektive Seite der Haftung ist erfüllt; der Beklagte musste, nachdem er sich der Festnahme durch Flucht zu entziehen versuchte, damit rechnen, verfolgt zu werden und hat dieses, auch wenn es hierauf nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O. S. 1534) nicht mehr ankommt, trotz einer BAK von 2,31 [permil] und seiner Kurzsichtigkeit auch erkannt, wie sein von den Zeugen geschildertes Verhalten während der Flucht zeigt. Er ist bei Dunkelheit 50 bis 100 m Haken schlagend so schnell gelaufen, dass beide Polizeibeamten ihn nicht einholen konnten. Der Beklagte konnte auch voraussehen, dass die verfolgenden Polizeibeamten dabei möglicherweise zu Schaden kamen, indem sie z.B. in der Dunkelheit gegen ein zu spät erkanntes Hindernis liefen oder aber, wie hier, gegen eine im letzten Moment auftauchende Sperre.
Auch zur Höhe bestehen gegen die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil keine Bedenken. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Auffassung des Beklagten, bei den Reparaturkosten für den PKW müsse ein Abzug „alt für neu” gemacht werden (Bl. 37, 151 d.A.), das beschädigte Einsatzfahrzeug habe einen Kilometerstand von 45.000 km aufgewiesen. Das allein reicht aber nicht aus für die Annahme, das Fahrzeug habe durch die Reparatur eine Werterhöhung erfahren. Ersetzt worden sind ausweislich der Reparaturrechnungen im wesentlichen die Windschutzscheibe und der Kühlergrill; durch die Auswechslung dieser Teile ist kein...