Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreiber einer Autowaschanlage hat ihm Rahmen seiner deliktischen Verkehrssicherungs- und seiner vertraglichen Schutzpflicht Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass Kunden in dem ihnen für den bestimmungsgemäßen Gebrauch zugänglichen Bereich auf Glatteis oder Altschnee Schaden erleiden.
2. Bei der Anrechnung eines Mitverschuldens- und Verursachungsbeitrages des Kunden nach § 254 BGB ist zu berücksichtigen, dass der Kunde darauf vertrauen darf, dass der Betreiber der Autowaschanlage seiner Sicherungspflicht ordnungsgemäß nachkommt. Das Verschulden des Betreibers der Anlage, der die grundsätzlich berechtigten Sicherungserwartungen des Kunden erfüllen musste, wiegt wesentlich schwerer als dessen momentane Unachtsamkeit.
Normenkette
BGB §§ 254, 823
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 1 O 210/00) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Aachen vom 26.3.2002 (1 O 210/00) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.355,79 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 19.5.2000 zu zahlen.
b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 2.2.1996 mit einer Haftungsquote von 75 % zu ersetzen, soweit die Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
1. Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 32 % und die Beklagte zu 68 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Sowohl die Berufung des Klägers als auch die Anschlussberufung der Beklagten sind zulässig. Zum Teil begründet ist jedoch nur die Berufung, während die auf die Klageabweisung zielende Anschlussberufung ohne Erfolg bleibt.
I. Wegen des Sachverhaltes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des LG Bezug genommen. Feststeht, dass der Kläger am 2.2.1996 auf dem von der Beklagten gepachteten Gelände einer F.-Tankstelle an der S. Straße in B zu Fall kam. Er beabsichtigte, ein Dienstfahrzeug seiner ehemaligen Arbeitgeberin zu reinigen und stellte dieses ordnungsgemäß vor der Waschanlage der Tankstelle ab. Der Kläger nahm den Dampfstrahler aus der Halterung und bewegte sich mit diesem um das Auto herum, um dieses zu reinigen. Dabei rutschte er auf einer etwa 2 cm dicken und 50 cm langen vereisten Platte aus verharschtem Altschnee aus. Er fiel auf die linke Schulter und zog sich einen schweren Bänderriss zu, der operativ versorgt werden musste. Das Arbeitsverhältnis des Klägers als Hausmeister wurde wegen der Unfallfolgen aufgelöst, auch die Berechtigung zur Nutzung der Hausmeisterwohnung entfiel deswegen.
Die Beklagte hat, nachdem sie ihre Schadensersatzpflicht dem Grunde nach i.H.v. 50 % anerkannt hatte, im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens und zunächst auch im Berufungsverfahren im Hinblick auf gewisse Unterschiede im Vortrag des Klägers bestritten, dass dieser auf einer vereisten Fläche ausgerutscht sei und sich die beschriebenen Verletzungen zugezogen habe. Im Rahmen der durch den Senat in der Berufungsverhandlung durchgeführten Anhörung der Parteien ist der Sachverhalt jedoch in dem festgestellten Sinne wieder unstreitig geworden.
II. 1. Aufgrund des feststehenden Sachverhaltes haftet die Beklagte wegen der Verletzung ihrer Verkehrsicherungspflicht nach § 823 BGB und aus dem Gesichtpunkt der positiven Vertragsverletzung wegen Missachtung einer vertraglichen Schutzpflicht.
a) Jeder, der für Dritte Gefahrenquellen schafft, hat die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz dieser Personen zu treffen, damit sich die möglichen Gefahren nicht realisieren können. Erst recht muss derjenige, der eine erhöhte Gefahrenquelle im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit schafft, dafür sorgen, dass das von ihm angelockte Publikum in den gewerblich genutzten Räumlichkeiten oder auf dem Gewerbegrundstück nicht zu Schaden kommt (vgl. OLG Köln v. 13.7.1998 – 16 U 15/98, OLGReport Köln 1998, 364 = MDR 1999, 160 = NJW-RR 1999, 673 = VersR 1999, 501 = NZV 1999, 165; Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823 Rz. 58 und 87). Der Betreiber einer Tankstelle oder Autowaschanlage hat insb. Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass Kunden in dem ihnen für den bestimmungsgemäßen Gebrauch zugänglichen Bereich nicht auf Glatteis oder Schnee Schaden erleiden (OLG Köln v. 13.7.1998 – 16 U 15/98, OLGReport Köln 1998, 364 = MDR 1999, 160 = NJW-RR 1999, 673 = VersR 1999, 501 = NZV 1999, 165; v. 8.4.1994 – 20 U 92/93, OLGReport Köln 1994, 173 = NZV 1994, 361; OLG Hamm v. 13.9.1999 – 6 U 43/99, OLGReport Hamm 2001, 64; v. 28.1.1998 – 6 U 186/97, OLGReport Hamm 1998, 210 = MDR 1998, 1105; OLG Koblenz JurBüro 2000, 163). Diese allgemeine deliktische Verkehrssicherungspflicht, die ggü. dem Kunden zugleich eine vertragliche Schut...