nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienrecht. Verpflichtung des Unterhaltsschuldners in einer Jugendamtsurkunde
Leitsatz (amtlich)
1. Hat sich der Unterhaltsschuldner in einer Jugendamtsurkunde gem. §§ 59, 60 SGB VIII einseitig zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet, ohne dass auf Seiten des unterhaltsberechtigten Kindes ein gesetzlicher Vertreter beteiligt war, so entfaltet die Urkunde weder prozessuale noch materiell-rechtliche Bindungen, so dass es dem unterhaltsberechtigten Kind freisteht, einen höheren Unterhalt zu verlangen.
2. Begehrt der Unterhaltsberechtigte in einem solchen Fall über den titulierten Unterhalt hinaus zusätzlichen Unterhalt, so ist er nicht auf eine Zusatzklage verwiesen. Er kann eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO mit der Möglichkeit einer von dem abzuändernden Titel unabhängigen Neufestsetzung des Unterhalts erheben. Ist der Klageantrag nicht eindeutig als Zusatzklage formuliert, so ist er im Zweifel als Abänderungsantrag auszulegen.
Normenkette
ZPO § 323
Verfahrensgang
AG Siegburg (Aktenzeichen 32 F 436/99) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 7. Januar verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Siegburg (32 F 436/99) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu zahlen
- rückständigen Trennungsunterhalt für die Klägerin und Kindesunterhalt für die Töchter M. und I. für den Zeitraum vom 1. Juli 1999 bis zum 31. Juli 2000 8.646,88 DM,
laufenden Unterhalt ab dem 1. August 2000 jeweils im voraus zahlbar am 15. eines jeden Kalendermonats abzüglich zwischenzeitlich geleisteter Zahlungen
- für die Tochter M. in Abänderung der Urkunde des Kreisjugendamtes des Rhein-Sieg-Kreises Nr. …/1999 vom … Dezember 1999 insgesamt 590,00 DM,
- für die Tochter I. in Abänderung der Urkunde des Kreisjugendamtes des Rhein-Sieg-Kreises Nr. …/1999 vom … Dezember 1999 insgesamt 478,00 DM,
- an die Klägerin 1.309,00 DM, ab dem 1. Februar 2001 795,00 DM.
Hinsichtlich des Trennungsunterhaltes der Klägerin ist die Hauptsache für die Zeit ab dem 1. Februar 2001 in der Hauptsache erledigt, soweit über einen monatlichen Betrag von 1.000,00 DM hinaus Trennungsunterhalt geltend gemacht wurde.
Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
II. Im übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
III. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits verbleibt es bei der Entscheidung des Amtsgerichts.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 10 % und der Beklagte zu 90 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung und die Anschlussberufung sind aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im übrigen bleiben die Rechtsmittel ohne Erfolg.
1.
a. Hinsichtlich des Kindesunterhalts für die gemeinsamen Töchter der Parteien M. und I. wendet der Beklagte mit der Berufung zunächst ein, das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er sich in den vollstreckbaren Urkunden des Kreisjugendamtes vom 3. Dezember 1999 zur Zahlung von 100 % des Regelbetrages, also für M. in Höhe von 510,00 DM und für I. von 431,00 DM monatlich, abzüglich hälftigem Kindergeldanteil verpflichtet habe. Dieser Einwand war von vornherein unbegründet, weil das Amtsgericht den Beklagten „unter Einbeziehung der Verpflichtungsurkunde vom 3. Dezember 1999” verurteilt hat. Zwar mag insoweit nicht eindeutig gewesen sein, ob diese Verurteilung als Abänderung der Jugendamtsurkunde oder als Zusatzverurteilung auszulegen gewesen ist. Durch die Anschlussberufung ist die prozessuale Lage jedoch dahin geklärt, dass der Beklagte unter Abänderung der Jugendamtsurkunde zu verurteilen ist.
Bei diesen handelt es sich um vor dem Jugendamt abgegebene Verpflichtungserklärungen gemäß §§ 59 Abs. 1 Nr. 4, 60 SGB VIII. Derartige Titel werden notariellen Urkunden gleichgestellt, so dass auf diese gemäß § 323 Abs. 4 ZPO die Vorschriften der Abänderungsklage entsprechende Anwendung finden (vgl. BGH FamRZ 1984, 997 = NJW 1985, 64, 65; OLG Köln FamRZ 2000, 905; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Auflage, § 323 Rn. 46 jeweils m. w. N.). Hat sich – wie hier – der Unterhaltsschuldner in diesen Urkunden einseitig zur Unterhaltszahlung verpflichtet, ohne dass auf Seiten der unterhaltsberechtigten Kinder ein gesetzlicher Vertreter beteiligt war, so entfaltet die entrichtete Urkunde weder prozessuale noch materiell-rechtliche Bindungen, so dass es dem Unterhaltsgläubiger freisteht, einen höheren als den titulierten Betrag zu verlangen. Das bedeutet aber nicht, dass der Unterhaltsgläubiger den erhöhten Unterhalt ausschließlich (so Zöller/Vollkommer a. a. O.) oder wahlweise im Wege der Zusatzklage (so OLG Hamm OLGR 2000, 59, 60; OLG Zweibrücken FamRZ 1992, 840, 841) geltend machen könne. Der Senat neigt dazu, den Unterhaltsschuldner auf den Weg der Abänderungsklage mit der Möglichkeit einer von dem abzuändernden Titeln unabhäng...