Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeld nach einem zum Tod führenden groben Behandlungsfehler

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Schmerzensgeld von 40.000 EUR ist gerechtfertigt, wenn ein Patient nach 5-monatiger Leidenszeit mit erheblichen Schmerzen und dem Bewusstsein des bevorstehenden Todes an den Folgen einer grob fehlerhaften ärztlichen Behandlung (Verkennung eines tiefen Weichgewebe- und Gelenkinfekts mit septischem Verlauf) verstirbt.

 

Normenkette

BGB §§ 253, 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 14.12.2010; Aktenzeichen 3 O 257/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) bis 4) und auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 14.12.2010 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Köln - 3 O 257/08 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten zu 1) bis 4) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 40.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.3.2007 zu zahlen.

Die Beklagten zu 1) bis 4) werden ferner als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 15.838,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.9.2007 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen weiteren vergangenen und zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der fehlerhaften Behandlung ihres am 19.3.1935 geborenen und am 11.8.2006 verstorbenen Ehemanns I. K. X. entstanden ist, derzeit entsteht und in Zukunft noch entstehen wird, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten erster Instanz werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 79 % und die Beklagten zu 1) bis 4) zu 21 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1) bis 4) gesamtschuldnerisch zu 21 %; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bis 4) trägt die Klägerin zu 73 %; die außergerichtlichen Kosten des ehemaligen Beklagten zu 5) trägt die Klägerin zu 100 %; im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 86 % der Klägerin und zu 14 % den Beklagten zu 1) bis 4) auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die Beklagten als Alleinerbin ihres am 19.3.1935 geborenen und am 11.8.2006 verstorbenen Ehemanns (im Folgenden auch: Patient) auf Schmerzensgeld, Zahlung von materiellem Schadensersatz i.H.v. 37.359,02 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen. Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz, der gestellten Anträge und der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das LG hat die Beklagten zu 1) bis 4) unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 100.000 EUR Schmerzensgeld und 15.838,82 EUR materiellem Schadensersatz verurteilt. Die Beklagten zu 1) bis 4) hätten es nach der stationären Aufnahme des Patienten am 11.3.2006 aufgrund mehrerer grober Behandlungsfehler versäumt, wegen der aufgetretenen Symptome einer tief liegenden Schulterinfektion eine weiterführende Diagnostik durchzuführen, die zu einer früheren Behandlung geführt und so die Ausweitung der Infektion und deren Folgen, insbesondere den Tod des Patienten, vermieden hätte. Angemessen sei ein Schmerzensgeld von 100.000 EUR. Der Patient habe unter erheblichen Schmerzen gelitten, gegen welche er das Schmerzmittel Oxygesic erhalten habe, welches doppelt so stark sei wie Morphium. Im Anschluss an die erste Operation an der Schulter am 16.3.2006 habe er sich fünf Wochen im Koma befunden. Er habe das Krankenhaus von seiner Einlieferung am 11.3.2006 bis zu seinem Todestag am 11.8.2006 mit Ausnahme der Behandlungen in der Rehabilitationsklinik nicht mehr verlassen. In diesem Zeitraum sei er von seiner Familie getrennt gewesen. Zudem habe er seinen eigenen körperlichen Verfall bewusst erlebt. Der Feststellungsantrag sei zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin habe ihr zukünftig entstehende materielle Schäden nicht ausreichend dargelegt. Der auch für die Zukunft geltend gemachte Haushaltsführungsschaden sei nicht substantiiert vorgetragen. Es fehlten Angaben dazu, welche Arbeiten konkret der Patient vor der Erkrankung mit welchem Zeitaufwand verrichtet habe und aufgrund seiner nicht unerheblichen Vorerkrankungen und seines fortgeschrittenen Alters noch habe verrichten können. Soweit die Klägerin Einnahmen aus Nebentätigkeiten des Patienten erwähnt habe, die in Zukunft entfielen, habe sie hierzu nicht weiter vorgetragen.

Mit...

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