Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang und Intensität der Risikoaufklärung
Leitsatz (amtlich)
Umfang und Intensität der Risikoaufklärung richten sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.
Bestehen aufgrund erkannter körperlicher Besonderheiten des Patienten Risiken, die im „Normalfall” auszuschließen sind, hat sich die Aufklärung auch hierauf zu erstrecken.
Normenkette
BGB § 823
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24.1.2001 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Aachen – 11 0 422/98 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die 1969 geborene Klägerin unterzog sich in der Vergangenheit mehrfach operativen Eingriffen in der Bauchregion, insbesondere auch Laparoskopien. Im Jahre 1993 wurde sie vom Beklagten zu 2) wegen starker Schmerzen neben bzw. unterhalb des Nabels behandelt. Im Juli 1997 führte der Gynäkologe Dr. K. bei ihr eine Laparoskopie zwecks Lösens von Verwachsungen im Colondescendens Bereich durch, was nicht komplett gelang. Wegen fortbestehender Beschwerden im linken Unterbauch überwies er die Klägerin zur Abklärung von Therapiemöglichkeiten an die Beklagte zu 1). Der Beklagte zu 2) fand einen druckschmerzhaften Punkt im Bereich eines linksseitigen Unterbauchschnittes. Unter der Diagnose „Narbenneurom, Ilioinguinalissyndrom links bei Zustand nach mehrmaliger Laparotomie und Laparoskopie wegen Adhäsionen” wurde bei der Klägerin durch den Beklagten zu 2) am 1.12.1997 eine Operation durchgeführt (Narbenrevision, Exstirpation des gesamten Narbengewebes und Resektion des cutanen Endastes des Nervus Ilioinguinalis links). Das operative Vorgehen ist wie folgt beschrieben:
„Wiedereingehen durch die alte Pfannenstielnarbe links, Darstellung des knapp kleinfingerendgliedgroßen Narbengewebes, das total exstirpiert wird. Längsspaltung der Externusaponeurose und Darstellung des cutanen Endastes des Nervus ileoinguinalis, der nach proximaler Durchtrennung reseziert wird. Kontrolle auf Bluttrockenheit. Naht der Externusaponeurose mit Vicryl-Einzelkopfnähten. Subkutane Redondrainage. Hautnähte. Steriler Verband.”
Die Klägerin hat die Beklagten mit der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, infolge der Operation sei es zu einer vermeidbaren Schädigung des Nervus femoralis gekommen. Im übrigen sei sie nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Sie hat Schmerzensgeld von mindestens 40.000 DM, Erstattung von Verdienstausfall und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten wegen sämtlicher künftiger Schäden begehrt.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und Behandlungsfehler in Abrede gestellt sowie umfassende Risikoaufklärung behauptet. Hilfsweise haben sie sich auf hypothetische Einwilligung berufen.
Das LG hat, sachverständig beraten, der Klägerin 35.000 DM Schmerzensgeld nebst Zinsen zugesprochen sowie die begehrte Feststellung getroffen.
Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie bestreiten, dass es im Zuge oder infolge der Operation vom 1.12.1997 zu einer Läsion des Nervus femoralis gekommen ist. Nach dem Operationssitus sei der davon weit entfernt liegende Femoralisnerv gar nicht in Gefahr gewesen, tangiert zu werden. Im übrigen sei die Klägerin über die einschlägigen Risiken aufgrund der zahlreichen Voroperationen aufgeklärt gewesen. Darüber hinaus habe der Beklagte zu 2) erneut u.a. auf das Risiko von Nervverletzungen hingewiesen. Das Risiko einer Femoralisschädigung sei vorliegend nicht aufklärungsbedürftig gewesen. Schließlich berufen sich die Beklagten auf hypothetische Einwilligung. Der durchgeführte Eingriff sei weitgehend schonend und im Übrigen die einzige Möglichkeit gewesen, die Beschwerden der Klägerin, die einem erheblichen Leidensdruck ausgesetzt gewesen sei, zu beheben oder zu lindern. Die Klägerin habe nicht plausibel dargelegt, dass sie angesichts des geringen Risikospektrums die Operation verweigert hätte.
Sie beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt der Berufung entgegen, verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht gerechtfertigt.
Das LG hat der Klage im tenorierten Umfang mit Recht stattgegeben. Der Senat nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die im wesentlichen zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug und macht sie sich zu eigen (§ 543 Abs. 1 ZPO). Die Berufung gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen.
Die Klägerin hat durch die Operation rechtswidrig einen Körperschaden erlitten, für deren Folgen die Beklagten einzustehen haben.
Das LG hat zutreffend festgestellt, dass es bei der Klägerin am 1.12.1997 entweder i...