Entscheidungsstichwort (Thema)

Klauseln in Mobilfunkvertrag bei Verlust der Chipkarte

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 17.06.2009; Aktenzeichen 26 O 150/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.02.2011; Aktenzeichen III ZR 35/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.6.2009 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln - 26 O 150/08 - teilweise abgeändert:

Die Klage zu Nr. I 2 und 3 (betreffend den Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Klauseln Nr. 7.2 und 7.3 in Verträgen über die Erbringung von Mobilfunkleistungen) wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung - soweit sie nicht unter Verlust des eingelegten Rechtsmittels zurückgenommen worden ist wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 5.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Parteien können die Vollstreckung des jeweiligen Gegners wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger - eine Einrichtung nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaG - hat sechs Klauseln der von der Beklagten - einem Telekommunikationsunternehmen - in Verträgen mit Verbrauchern über Mobilfunkleistungen verwendeten "Allgemeinen Geschäftsbedingungen D Sprechtarif" (Anlage K 1, Bl. 19 ff. d.A.) beanstandet. Das LG, auf dessen Urteil verwiesen wird, hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Beklagte verfolgt nach teilweiser Berufungsrücknahme ihren Antrag auf Abweisung der Klage in Bezug auf vier Klauseln weiter. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II. Die zulässige Berufung hat - soweit darüber nach Teilrücknahme noch zu entscheiden war - in der Sache teilweise Erfolg.

1. Die Verurteilung der Beklagten kann nicht aufrechterhalten bleiben, soweit ihr (zu Nr. 2 und 3) bei Meidung von Ordnungsmitteln untersagt worden ist, die folgenden sachlich zusammenhängenden Klauseln oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge mit Verbrauchern über Mobilfunkleistungen einzubeziehen oder sich bei der Abwicklung solcher Verträge darauf zu berufen:

[7.2] Der Kunde hat auch die Preise zu zahlen, die durch (...) unbefugte Nutzung der überlassenen Leistungen durch Dritte entstanden sind, wenn und soweit er diese Nutzung zu vertreten hat.

[7.3] Nach Verlust der D Karte hat der Kunde nur die Verbindungspreise zu zahlen, die bis zum Eingang der Meldung über den Verlust der Karte bei D angefallen sind. Das gleiche gilt für Preise über Dienste, zu denen D den Zugang vermittelt.

a) Das LG hat diese Klauseln in vermeintlich kundenfeindlichster Auslegung, wie sie der Beurteilung im Verbandsprozess zugrunde zu legen ist (vgl. BGH NJW 2007, 1054 [Tz. 23] m.w.N.), als Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen angesehen und - von diesem Ansatz aus zu Recht - ihre Unvereinbarkeit mit dem Klauselverbot des § 309 Nr. 5 BGB festgestellt: Weder entsprechen die Preise typischerweise der durch unbefugte Drittnutzung zu erwartenden Vermögenseinbuße der Beklagten noch wird dem Kunden der Nachweis eines geringeren Schadens ermöglicht.

Nach Auffassung des Senats liegt ein Verständnis der beiden Klauseln als Schadensersatzpauschalierung jedoch fern, so dass von dieser nur theoretischen Auslegungsmöglichkeit eine Störung des Rechtsverkehrs nicht ernsthaft zu befürchten ist und sie deshalb für die Entscheidung außer Betracht zu bleiben hat (vgl. BGH NJW 1994, 1798 [1799]; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 305c Rz. 19). Aus dem Wortlaut und den Besonderheiten des Telekommunikationsrechts ergibt sich nämlich, dass die Bestimmungen keine Schadensersatzhaftung, sondern die Zurechnung des objektiven Vertrauenstatbestandes einer Willenserklärung regeln, die es rechtfertigt, den Anspruchsgegner für die Erfüllung des scheinbar durch ihn oder einen von ihm bevollmächtigten Vertreter abgeschlossenen Vertrages über die Nutzung einzelner Mobilfunkleistungen einstehen zu lassen (vgl. zur dogmatischen Einordnung "normativ zugerechneter Erklärungen" Staudinger/Knothe, BGB [2004], Vorbemerkung zu §§ 116-144, Rz. 19 ff. m.w.N.; grundlegend Hübner, Zurechnung statt Fiktion einer Willenserklärung, Festschrift Nipperdey I [1965], S. 373 ff.; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht [1971], S. 424 ff.).

Die Klauseln bürden dem Kunden bis zur Mitteilung des Verlustes der in sein Mobiltelefon einzufügenden Chipkarte, die ihn als Nutzer im Netz des Mobilfunkanbieters identifiziert, eine Verpflichtung zur Entrichtung des vertraglich vereinbarten Nutzungsentgelts auch dann auf, wenn Mobilfunkleistungen nicht von ihm selbst oder einem befugten Dritten abgerufen wurden (soweit die Klausel Nr. 7.2 sich darauf bezieht, ist ihre Verwendung nicht G...

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