Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchlicher Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen ist rechtsmissbräuchlich und unbeachtlich, wenn er erfolgt, nachdem zu den angekündigten Fragen zunächst ein schriftliches Ergänzungsgutachten eingeholt wird, das die Fragen erschöpfend beantwortet, dazu und zu rechtlich unerheblichen Fragen zunächst weitere schriftliche Ergänzung beantragt wird, das Gericht hierauf mit einem ablehnenden, konkret begründeten Beschluss eingeht und sodann der Antrag auf mündliche Anhörung gestellt wird, ohne konkreten weiteren Fragebedarf geltend zu machen.
2. Eine wegen unzureichender Diagnostik vorwerfbare Behandlungsverzögerung eines Kieferbruchs kann ein geringes Schmerzensgeld von 500 EUR rechtfertigen.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 611, 823; ZPO § 411
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 04.06.2013; Aktenzeichen 3 O 125/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 4.6.2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Köln - 3 O 125/10 - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 500 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.4.2010 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 183,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.4.2010 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von der Forderung der Rechtsanwältin G aus M in Höhe eines Betrags von 124,36 EUR durch Zahlung an diese freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 95 % dem Kläger und zu 5 % den Beklagten auferlegt. Dies gilt nicht für die Kosten des Streithelfers der Beklagten, die der Kläger zu 95 % und der Streithelfer der Beklagten zu 5 % tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Dem am 0.0.1969 geborenen Kläger wurde am 19.12.2006 durch den Streithelfer der Beklagten ein Weisheitszahn gezogen. Auf dem Rückweg zu seinem Pkw stürzte der Kläger und zog sich u.a. zwei Platzwunden am Kinn zu. Die oberen Schneide- und Eckzähne waren zertrümmert. Der herbeigerufene Rettungsdienst brachte den Kläger in das Krankenhaus der Beklagten zu 1), wo Röntgenaufnahmen des Schädels in zwei Ebenen angefertigt wurden. Die radiologische Beurteilung ergab keinen Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung. Nach stationärer Beobachtung wurde der Kläger am 21.12.2006 entlassen.
Er stellte sich noch am gleichen Tag bei seinem Zahnarzt, dem Streithelfer der Beklagten, vor und klagte über Schmerzen am Kiefergelenk rechts und links. Der Streithelfer der Beklagten überwies ihn an den Oralchirurgen Dr. C, der nach Anfertigung eines Orthopantogramms eine dreifache Unterkieferfraktur diagnostizierte und den Kläger in die M2 Klinik in T einwies.
Die dort durchgeführte Diagnostik, insbesondere eine Röntgenaufnahme nach Clementschitsch und ein Orthopantogramm, zeigten eine dislozierte Fraktur des linken Collums (also des aufsteigenden Astes des Unterkiefers), eine nicht dislozierte Fraktur des rechten Collums und eine inkomplette Unterkieferfraktur lingual regio 34 bis 36. Am 22.12.2006 wurden in Intubationsnarkose Kieferbruchschienen in den Ober- und Unterkiefer beidseits eingebunden und eine intermaxilläre Fixierung mit Drähten vorgenommen. Vom 29.12.2006 bis 2.1.2007 wurde ein Hypomochlion im linken Seitenzahnbereich eingesetzt. Die intermaxilläre Fixierung wurde bei der Entlassung des Klägers am 12.1.2007 beendet. Die Kieferbruchschienen wurden bei der ambulanten Vorstellung des Klägers am 31.1.2007 entfernt. Die Unterkiefercollumfraktur links ist in Fehlstellung verheilt, was bei vollständiger Mundöffnung zu einer Seitenabweichung des Unterkiefers nach links führt.
Die Klage des Klägers gegen den Streithelfer der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (3 O 126/10 LG Köln = 5 U 118/12 OLG Köln) Der Kläger hat die Beklagten auf ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 EUR, Feststellung der Ersatzpflicht, Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten von 899,40 EUR und Zahlung von Gutachter- und Kopierkosten von 183,92 EUR in Anspruch genommen. Die Beklagten hätten spezielle Röntgenaufnahmen vornehmen oder veranlassen müssen, durch die die Unterkieferfraktur erkannt worden wäre. Die gebotene sofortige osteosynthetische Versorgung hätte eine Verheilung in Fehlstellung vermieden. Vor allem beim Kauen leide er unter Schmerzen im Kiefergelenk.
Das LG hat das unfallchirurgische Gutachten von Dr. G2 (Bl. 81 ff. d.A.) und das kieferchirurgische Gutachten von Dr. Dr. B (Bl. 148 ff. d.A.) nebst Ergänzung (Bl. 220 ff. d.A.) eingeholt.
Daraufhin hat es die Klage abgewiesen. Nach den Ausführungen von Dr. G2 seien zwar die angefertigten Röntgenbilder in zwei Ebenen zum gebotenen Ausschluss einer Unterkieferfraktur...