Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 02.02.2011; Aktenzeichen 26 O 123/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02.02.2011 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 O 123/10 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte beliefert Verbraucher mit Strom. Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, beanstandet folgende Klausel ihrer Allgemeinen Stromlieferbedingungen (Anlage K 2 = Bl. 14) als intransparent:
… F. haftet auch für von ihr, einem ihrer gesetzlichen Vertreter oder einem ihrer Erfüllungsgehilfen verursachte Schäden aus schuldhafter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten, bei leichter Fahrlässigkeit jedoch der Höhe nach begrenzt auf die bei Vertragsbeginn vorhersehbaren vertragstypischen Schäden …
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Mit ihrer Berufung verfolgt sie ihren Abweisungsantrag weiter, während der Kläger das angefochtene Urteil verteidigt.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Die angegriffene Formularklausel benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten nicht unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB).
Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass die Klausel inhaltlich unangemessen sei. Zwar darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 145, 203 = NJW 2001, 292 [302]; BGHZ 164, 11 = NJW-RR 2005, 1496 [1505 f.] m.w.N.) eine formularmäßige Freizeichnung von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit nicht zur Aushöhlung von vertragswesentlichen Rechtspositionen des Vertragspartners führen, etwa weil sie ihm solche Rechte nimmt oder einschränkt, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck gerade zu gewähren hat. Ferner darf die Haftungsbeschränkung nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf. Die hier angegriffene Klausel trägt dem aber Rechnung, indem sie bei leicht fahrlässiger Verletzung wesentlicher Vertragspflichten lediglich eine Begrenzung des Haftungsumfangs aufbei Vertragsbeginn vorhersehbare vertragstypische Schädenvornimmt.
Der Senat sieht darin keine unangemessene Benachteiligung durch einen Verstoß gegen das Verständlichkeitsgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Anders als bei dem vom Bundesgerichtshof (BGHZ 164, 11 = NJW-RR 2005, 1496 [1506]) in einem Kfz-Vertragshändlervertrag für intransparent gehaltenenen schlagwortartigen Begriff derKardinalpflichtenerschließt sich der Sinn der Klausel bei aufmerksamer und sorgfältiger Lektüre des Vertrages auch einem nicht juristisch vorgebildeten Vertragspartner der Beklagten. Auf den Abstraktionsgrad der Formulierung kommt es dabei nicht entscheidend an (BGH, a.a.O.); umfangreiche kasuistische Aufzählungen sind nicht notwendig transparenter als abstrakte Definitionen. Welche bei der Abwicklung eines Stromlieferungsvertrages auftretenden Schäden bei Vertragsbeginn vorhersehbar sind und als vertragstypisch angesehen werden können, mag im Einzelfall zweifelhaft bleiben und weiterer Auslegung bedürfen; unklar oder unverständlich ist die Abgrenzung deshalb aber nicht, weil ein aufmerksamer Durchschnittsverbraucher mit den hier verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffen - im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre - hinreichend deutliche Vorstellungen verbindet und nach Eintritt eines konkreten Schadens im Zusammenhang mit der Lieferung oder Nichtlieferung elektrischer Energie abzuschätzen vermag, ob dieser als untypisch angesehen werden muss oder bei Abschluss des Vertrages mit der Beklagten unvorhersehbar war. Auf die Alternative bezifferter Haftungshöchstgrenzen muss sich die Beklagte nicht verweisen lassen, weil sich angemessene Beträge insoweit kaum im Voraus für jeden Einzelfall angeben lassen und infolge der Geldentwertung ein hoher Anpassungsaufwand entstünde.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen, weil die zu vielfacher Verwendung bestimmte, außer im angefochtenen Urteil schon in den von den Parteien vorgelegten Entscheidungen der Landgerichte Frankfurt am Main (Urteil vom 24.11.2010 - 2-2 O 21/10 = Anlage K 4) und Dortmund (Urteil vom 14.01.2011 - 25 O 230/11 = Anlage BK 1) behandelte Klausel bisher noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Überprüfung gewesen ist.
Fundstellen