Entscheidungsstichwort (Thema)
Plattenfehllage bei eingeschränkter intraoperativer Sicht
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Fehllage von Schrauben und Platte im Bereich der unteren Halswirbelsäule nach einem ventral (von vorne) erfolgenden Zugang indiziert grundsätzlich kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Dies gilt auch dann, wenn sich (infolge eines Schulterhochstandes) intraoperativ nur eine eingeschränkte röntgenologische Einsehbarkeit des Operationsbereiches ergibt.
2. Ist der gewählte Zugang zur Halswirbelsäule von vorne als Goldstandard anzusehen und gegenüber anderen Vorgehensweisen eindeutig vorzugswürdig, besteht keine Pflicht, über andere grundsätzlich denkbare Arten des Zugangs als Behandlungsalternative aufzuklären.
Normenkette
BGB §§ 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 25 O 201/13) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 20.04.2016 - 25 O 201/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Nebenintervention für beide Instanzen trägt der Kläger.
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Bei dem am 01.05.1940 geborenen Kläger wurde im Jahr 2010 eine mehrsegmentale, hochgradige cervikale Spinalkanalstenose mit Myelopathie diagnostiziert. Er litt unter einer Gangunsicherheit und progredienten Parästhesien der Hände und Füße. Nachdem er sich in der Zeit von August bis Ende Oktober 2010 bei verschiedenen Ärzten und Krankenhäusern mit seinen Beschwerden vorgestellt hatte, entschied er sich zu einer Operation im Hause der Beklagten zu 1). Unter der Diagnose eines tetraspastischen Syndroms mit distal und links betonten Armparesen fand am 03.12.2010 eine mikrochirurgische Dekompressionsoperation mit Entfernung des Wirbelkörpers HWK 6, Cage-Implantation und Einbringen einer ventralen Platte statt. Die Operation führte der Beklagte zu 2) durch. Laut Operationsbericht war die Halswirbelsäule im seitlichen Röntgenbild nur bis HW 4/5 einsehbar. Im postoperativen CT zeigte sich eine Fehllage der Platte sowie der oberen Schrauben in HWK 5 bei ansonsten regelrechter Lage des Implantates. Der Kläger wurde am 09.12.2010 in die ambulante Betreuung entlassen.
Am 17.12.2010 wurde der Kläger erneut operiert. Der Beklagte zu 2) entfernte die Schrauben und die von ihm jetzt als zu kurz befundene Platte und tauschte sie gegen eine größere Platte aus. Laut Operationsbericht war die röntgenologische Sicht bis HWK 5 erneut eingeschränkt. Der Kläger wurde am 19.12.2010 aus dem Krankenhaus ohne vorherige radiologische Kontrolle entlassen.
Am Abend des gleichen Tages stellte sich der Kläger in dem von der Streithelferin betriebenen Klinikum "K" in T vor. Bei Aufnahme gab der Kläger starke Schmerzen im Bereich der HWS an. Er hatte Fieber und das Labor ergab einen erhöhten CRP-Wert. Nach einer radiologisch nachgewiesenen Plattenfehllage kam es am 30.12.2010 im Hause der Streithelferin zu einer erneuten Revisionsoperation. Dabei zeigte sich, dass die in C 7 eingebrachte Platte völlig aus dem Wirbel herausluxiert war. Im Bereich des Wirbelkörpers C 5 saß nur eine Schraube im Wirbelkörper, die andere tangierte die Arteris vertebralis. Bei Eröffnung der Faszie entleerte sich Pus. Im entnommenen Abstrich wurde Staphylococcus epidermis nachgewiesen. Die postoperative CT-Kontrolle ergab eine regelrechte Lage der neu eingebrachten Platte. Der Kläger wurde am 27.01.2011 in die hausärztliche Betreuung entlassen.
Der Kläger hat den Beklagten Behandlungsfehler und Aufklärungsfehler vorgeworfen. Er hat behauptet, die Operation vom 03.12.2010 sei nicht indiziert gewesen. Der Beklagte zu 2) habe die Operation nicht lege artis durchgeführt, wodurch es zu einer Fehlplatzierung der Platte gekommen sei. Die Revisionsoperation sei ebenfalls fehlerhaft durchgeführt und eine postoperative Röntgenkontrolle fehlerhaft unterlassen worden. Der Kläger hat weiter behauptet, er sei über die erste Operation am 03.12.2010 nicht ausreichend aufgeklärt worden. Man habe ihm nicht gesagt, dass es zu einer Verschlechterung seines Zustandes kommen könne. Bei entsprechender Aufklärung hätte er dem Eingriff nicht ohne Weiteres zugestimmt. Er habe zu dieser Zeit keinen akuten Leidensdruck gehabt.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.01.2013 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 21.784,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit d...