Entscheidungsstichwort (Thema)
Transportrecht. Schadensersatz bei Verlust des Frachtgutes
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Ablieferung des Transportgutes im Sinne von Art. 17 Abs. 1 CMR genügt es nicht, dass die bloße Ankunft des Gutes am Bestimmungsort dargetan wird. Vielmehr ist es grundsätzlich notwendig, dass der Empfänger den unmittelbaren Besitz erlangt. Jedenfalls muss der Frachtführer den Gewahrsam über das beförderte Gut aufgegeben und den Empfänger mit dessen Willen und Einverständnis in den Stand versetzt haben, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben.
2. Der Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 letzte Alternative CMR greift nur dann durch, wenn der Verlust selbst mit Aufwendung der äußersten Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen wäre. Angesichts der bekannten Risiken bei Moskau-Transporten, bei denen bekanntermaßen auf Grund der dort herrschenden Zustände häufig Ware mit kriminellen Methoden abgefangen wird, ist diesen dann nicht gewahrt, wenn sich der Frachtführer lediglich bei Übergabe des Frachtgutes eine Vollmacht des angeblichen Bevollmächtigten des Empfängers und dessen Pass zeigen lässt. Vielmehr ist es erforderlich, um den gegebenen Risiken wirksam zu begegnen, weitere Vorkehrungen zu treffen, um die Echtheit der Vollmacht überprüfen zu können.
Normenkette
CMR Art. 17 Abs. 1-2, Art. 23, 3
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 01.03.2000; Aktenzeichen 91 O 155/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 01. März 2000 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 91 O 155/99 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 135.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, eine zu erbringende Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank, Volks- oder Raiffeisenbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma R.L. Contribution und Distribution GmbH (im folgenden Firma R.) in B.. Am 23.03.1998 erteilt die Firma R. der Beklagten den Auftrag, zum festen Preis von „5.400,00 DM all in” eine Sendung Schokolade vom Lager der Spedition Sch. in Q./Bundesrepublik Deutschland im grenzüberschreitenden Güterverkehr nach Moskau/Rußland zu besorgen. In Erfüllung dieses Auftrages beauftragte die Beklagte das litauische Transportunternehmen A. UAB, V. 44, V./Litauen mit der Durchführung der Beföderung. Dieses Transportunternehmen erteilte wiederum der Transportfirma T. UAB, ul. B., d. 25 e, K./Litauen als Unterfrachtführerin den Auftrag zur Transportdurchführung. Die die Beförderung durchführende Unterfrachtführerin übernahm die zu befördernde Komplettladung Schokolade in Q./Bundesrepublik Deutschland zum Transport nach Moskau/Rußland am 24. März 1998. Fahrer des Transportfahrzeuges war der bei der Unterfrachtführerin angestellte Zeuge O..
Bei der Auftragserteilung gab die Firma R. u.a. schriftliche Anweisungen dahin, dass der Fahrer bei Ankunft in Moskau den Zollpunkt Nord „T. Terminal” anfahren solle, wo auch die Zollabfertigung und Entladung stattzufinden habe. Der Fahrer sollte die Empfängerin der Sendung, die Firma E. Trust unter der in der Fahreranweisung angegebenen Telefonnummer … anrufen und den Anweisungen der Vertreter der Firma Folge leisten. Die vorgenannte Telefonnummer war auch im CMR-Frachtbrief aufgeführt.
Der Fahrer der Unterfrachtführerin bestätigte durch Unterschrift den Erhalt der erwähnten Anweisungen in russischer Sprache. Auf deren Wortlaut und den Inhalt des CMR-Frachtbriefes wird Bezug genommen (vgl. Blatt 9, 11 GA).
In dem zwischen der Beklagten und der Firma ANDROMA UAB geschlossenen Transportauftrag wurde eine weitere Telefonnummer genannt, welche der Fahrer in bestimmten Fällen anzurufen hatte. Die Nummer lautete …. Diese Nummer war gemäß dem Transportauftrag im Falle des Verderbens oder der Beschädigung des Gutes anzuwählen. Darüber hinaus heißt es gemäß der beglaubigten Übersetzung aus der russischen Sprache auf Seite 2 der übersetzten Urkunde im zweiten Absatz wie folgt:
„Bei der Anfahrt zu Moskau muß der Fahrer eine Kontrollnummer bei dem Vertreter der Firma in Moskau, B. O.V., Telefon …, erhalten.
Beim Fehlen der Kontrollnummer im CMR wird eine Geldstrafe in Höhe von DM 100 auferlegt.
…”.
Tatsächlich war im CMR-Frachtbrief diese Telefonnummer nicht aufgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes des vorgenannten Transportauftrages wird auf die beglaubigte Übersetzung der vorgenannten Urkunde aus der russischen Sprache verwiesen (Anlage B 2, Blatt 38, 39 GA).
Über das weitere Schicksal der von der Firma T. am 24. März 1998 übernommenen Ladung herrscht zwischen den Parteien Streit. Mit Schreiben vom 03.06.1998 teilte die Firma E. Trust mit, dass der LKW nicht bei ihr eingetroffen s...