Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 26 O 287/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. April 2021 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 O 287/20 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.765,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. August 2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 69% und die Beklagte zu 31%. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 67% und der Beklagten zu 33% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin, die nach Teilrücknahme des Rechtsmittels nur noch die Verträge mit den früheren Versicherungsnehmern A (Endz. -236 001) und B (Endz. -779 002) betrifft, hat in der Sache zu einem Teil Erfolg.
1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Aus dem Gesamtgefüge der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den früheren Versicherungsnehmern A und B ergibt sich, dass von den Vertragsparteien nicht lediglich eine Einziehung der sich aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag ergebenden Forderungen für die Zedenten beabsichtigt war, sondern die endgültige Übertragung der rechtlichen Inhaberschaft auf die Klägerin erfolgen sollte. Die Abtretungen sind wirksam; insbesondere liegt keine Nichtigkeit nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des RDG vor. Die Abtretungen sind auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig. Zur näheren Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seine in juris dokumentierten Urteile vom 2. Oktober 2020 (20 U 60/20) und vom 9. Oktober 2020 (20 U 35/20 sowie 20 U 105/20). Die dortigen Erwägungen gelten für den vorliegenden Fall entsprechend.
2. Vertrag Endz. -236 001 (VN A)
a) Der Vertrag ist im Policenmodell zustande gekommen.
Die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein vom 14. April 1999 (GA 77) ist inhaltlich fehlerhaft, weil der zwingend erforderliche Hinweis darauf, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben ist, fehlt. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis erfolgte auch nicht dadurch, dass dem Versicherungsnehmer weiterhin mitgeteilt wurde, zur Fristwahrung genüge die rechtzeitige Absendung der Widerspruchserklärung (vgl. BGH, VersR 2015, 1104 Rn. 24 m.w.N.). Dass diesem durch die Belehrung über den gesetzlichen Standard hinausgehend die Möglichkeit eines Widerspruchs in mündlicher Form eingeräumt werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen. Der fehlende Hinweis auf die Schriftform des Widerspruchs stellt auch keinen nur marginalen Fehler dar. Der Belehrungsmangel ist nicht belanglos, sondern betrifft einen für die Ausübung des Widerspruchsrechts wesentlichen Punkt (BGH, VersR 2015, 1104, Rz. 30).
Diese Rechtsprechung ist nicht mit Blick auf das Urteil des EuGH v. 19. Dezember 2019 (C-355/18 u.a., VersR 2020, 341) überholt. Auch der EuGH geht grundsätzlich davon aus, dass es einer Belehrung über die Form des Rücktritts bedarf, wenn ein bestimmtes Formerfordernis entweder gesetzlich vorgeschrieben ist oder vertraglich vereinbart wurde; das gilt entsprechend für eine Belehrung über die Form eines Widerspruchs nach § 5a VVG a.F. Die Belehrung eines Versicherers über eine bei der Erklärung des Rücktritts einzuhaltende Form ist fehlerhaft, wenn sie nicht den zwingenden Vorgaben des anwendbaren Rechts oder den Bestimmungen des Vertrags entspricht (EuGH, aaO, Rz. 77). Danach ist die Belehrung vorliegend auch unter Beachtung der Vorgaben des EuGH fehlerhaft, weil nicht über die nach deutschem Recht für einen Widerspruch nach § 5a VVG a.F. zwingend notwendige Einhaltung der Schriftform (bei Verträgen, die vor August 2001 abgeschlossen worden sind) informiert worden ist.
Ob die Entscheidung des EuGH dahin zu verstehen ist, dass stets dann, wenn der Versicherer fehlerhaft belehrt, geprüft werden muss, ob die Belehrung derart unrichtig war, "dass den Versicherungsnehmern die Möglichkeit genommen wurde, ihr Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, wobei im Wege einer Gesamtwürdigung insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen sein wird" (EuGH, aaO, Rz. 81), oder ob eine solche Prüfung nur dann veranlasst ist, wenn zulässige vertragliche Regelungen, über ein Formerfordernis des Rücktritts, die vom Gesetz abweichen, vereinbart worden sind (s. EuGH, aaO, Rz. 82, 2. Spiegelstrich), bedarf vorliegend keiner näheren Erörterung. Auch wenn man davon ausgeht, dass eine fehlerhafte Belehrung über die gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts - bzw. des Widerspruchsrechts nac...