Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachzügler im Kreuzungsbereich und der "fliegende Start"
Leitsatz (amtlich)
Auch Nachzüglern beim Einfahren in den Kreuzungsbereich muss das Verlassen der Kreuzung ermöglicht werden. Diese müssen allerdings den einsetzenden entgegenkommenden oder quer fahrenden Verkehr sorgfältig beobachten.
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 25.08.2011; Aktenzeichen 8 O 553/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Aachen vom 25.8.2011 - 8 O 553/09 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(abgekürzt gem. §§ 313a I, 540 II ZPO)
Gründe
Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Zu Recht hat das LG angesichts der streitgegenständlichen Konstellation eine Haftungsquote zu Lasten der Beklagten i.H.v. 50 % angenommen.
Ausgangspunkt ist § 17 StVG, wonach die Verpflichtung zum Schadensersatz und der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon abhängt, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, sofern der Unfall nicht durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist. Letzteres scheidet aus, wie das LG zutreffend erkannt hat. Zutreffend ist das LG ferner davon ausgegangen, dass bei der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge zu Lasten der Beteiligten nur unstreitige oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen sind.
Vom Tatsächlichen gilt hier in Übereinstimmung mit dem LG Folgendes:
Ein Rotlichtverstoß des Beklagten zu 1) ist nicht nachweisbar.
Der Beklagte selbst (Bl. 55 R) hat angegeben, er habe die Lichtzeichenanlage bereits passiert gehabt und habe dann hinter zwei voranfahrenden Rechtsabbiegern warten müssen. Bezogen auf die Unfallskizze Bl. 5 BA, habe er mit dem vorderen Teil seines Fahrzeugs auf Höhe der näher zum B. gelegenen gestrichelten Linie gestanden, während der Heckbereich sich ungefähr im Bereich der weiter in die C. hinein gelegenen gestrichelten Linie befunden habe.
Dass der Beklagte zu 1) bei für ihn Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, d.h. über die für ihn erkennbar rote Ampel ohne anzuhalten auf den kreuzenden B. aufgefahren ist, hat keiner der Zeugen gesehen bzw. bekundet. Dies wäre für die gehörten Zeugen auch schwerlich wahrzunehmen gewesen, da sich sämtliche Zeugen auf den Fahrbahnen des B. befanden, damit also bereits keine Einsicht in die Lichtphasen der für den Beklagten zu 1) maßgeblichen Lichtzeichenanlage hatten. Soweit der Zeuge K. (Bl. 56 R) bekundet hat, der D. sei mit hoher Geschwindigkeit aus der C. herausgefahren, kann dem nicht entnommen werden, dass der Beklagte zu 1) für ihn erkennbar über die rote Ampel gefahren ist. Der Zeuge stand als Beifahrer des Zeugen E. auf der linken Abbiegespur des B. (neben dem Kläger) und konnte ersichtlich nur die Richtung angeben, aus der der Beklagte zu 1) kam, nämlich aus der C.. Die Lichtzeichenverhältnisse in der C. waren auch für ihn nicht einsehbar. Abgesehen davon, bestehen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Zeugen; der Zeuge hat auch bekundet, der Kläger sei neben ihm mit seinem F. zum Stillstand gekommen, d.h. nicht auf die Ampel zugerollt, obgleich der Kläger selbst und dessen Verlobte, die Zeugin T., dies anders angegeben haben. Der Zeuge E. hat ausgesagt, als er den D. das erste Mal gesehen habe, habe er sich noch auf der Gegenspur, also links von ihm befunden, und zwar kurz hinter der C. im Einmündungsbereich zum B.. Der Zeuge O. (Busfahrer rechts neben dem Kläger stehend) hat angegeben, dass er das Fahrzeug, das aus der C. kam, etwa in dem Bereich gesehen habe, der den in Fahrtrichtung Innenstadt gesehen rechten Fahrstreifen des B. darstellt. Ob das Fahrzeug eben angefahren war oder von hinten gekommen sei, habe er nicht gesehen.
Auch nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr.-Ing. N. besteht eine Nachweismöglichkeit für ein Durchfahren des Beklagten-Pkw in einem Zuge - bei Rotlicht - nicht (Bl. 111). Die vom Sachverständigen aufgeführten zeitlichen Zusammenhänge unter Berücksichtigung der Ampelphasen sprechen eher - so das LG zu Recht - gegen einen Rotlichtverstoß. Danach ereignete sich der Unfall in Sekunde 13 des Lichtzeichenanlagenzyklus (3 Sekunden nach Beginn der Grünphase in Sekunde 10 für die Kläger-Richtung). Zu diesem Zeitpunkt hatte der Querverkehr (Beklagter) allerdings erst seit 5 Sekunden rot, und nicht, wie der SV wohl versehentlich angibt, seit 8 Sekunden, denn die Rotphase beginnt in Sek. 8. (+ 5 = 13). Ca. 5 Sekunden aber benötigte der Beklagte zu 1) nach den Berechnungen des Sachverständigen von dem von ihm angegebenen verkehrsbedingten Anhaltepunkt (jenseits "seiner" Ampel) bis zum Kollisionsort. Das bedeutet, dass der Beklagte zu 1) gerade in dem Moment erneut angefahren ist, in dem für seine Fahrtrichtung die Ampel auf Rot umschlug.
Danach war für ihn der Ampelphasenwechsel auf Rotlicht für seine Fahrtr...