Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 12.07.2013; Aktenzeichen 1 O 170/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bonn vom 12.7.2013 - 1 O 170/13 - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Bonn vom 12.7.2013 - 1 O 170/13 - abgeändert und die zugrunde liegende Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nahm an der öffentlichen Ausschreibung Nr. 2039/11 der Beklagten zur Beschaffung von Zimmerarbeiten für das Bauvorhaben "Neubau einer internationalen Kindertagesstätte I 30 in C" teil, die die Beklagte u.a. im Deutschen Ausschreibungsblatt am 27.10.2011 veröffentlicht hatte. Die Klägerin erhielt die Vergabeunterlagen auf Anfrage übersandt und beteiligte sich mit einem Gebot vom 30.11.2011 über 1.083.878,22 EUR, das unter den abgegebenen Geboten bei Eröffnung der Angebote am 1.12.2011 das Günstigste war.

Allerdings teilte die Beklagte mit Schreiben vom 20.1.2012 mit, das Vergabeverfahren werde gem. § 17 VOB/A wegen schwerwiegender Gründe, namentlich der "Änderung von Positionen zur Sichtqualität", aufgehoben und das neue Vergabeverfahren 210/12 als freihändige Vergabe eingeleitet. Diese Ausschreibung betraf denselben Beschaffungsvorgang, das Leistungsverzeichnis wurde allerdings in vier Positionen (1.2.20 - 1.2.1950) zur Sichtqualität der Brettsperrholzelemente geändert. In dem Verfahren Nr. 210/12 sind die Positionen ausdrücklich mit der Oberflächenanforderung "Wohnsichtqualität" ausgeschrieben.

Die Klägerin rügte gegenüber der Vergabestelle der Beklagten und gegenüber der Nachprüfungsstelle bei C2 vor Ablauf der Angebotsfrist erfolglos vergaberechtliche Verfahrensverstöße. Insbesondere die Nachprüfungsstelle des C2 stellte mit Schreiben vom 28.2.2012 fest, dass keine Vergaberechtsverstöße vorlägen.

Die Klägerin gab sodann ein angepasstes Angebot auch im Vergabeverfahren Nr. 210/12 über nunmehr 1.126.472 EUR ab, unstreitig das in diesem zweiten Vergabeverfahren nicht günstigste. Der Zuschlag wurde ihr nicht erteilt.

Die Klägerin hat der Ansicht vertreten, die Aufhebung des Vergabeverfahrens Nr. 2039/11 sei rechtswidrig erfolgt. Bereits die ursprüngliche Ausschreibung sei inhaltlich eindeutig dahingehend zu verstehen gewesen, dass in den Positionen 1.20.1920 - 50 Industriesichtqualität gefordert gewesen sei. Die Fortführung des ursprünglichen Vergabeverfahrens Nr. 2039/11 im Verfahren Nr. 210/12 sei vergaberechtswidrig; auch sei eine Vergabe im freihändigen Verfahren unzulässig gewesen.

Die Klägerin begehrt den ihr entgangenen Gewinn, den sie mit 54.193,91 EUR beziffert. Sie ist der Ansicht, ihr hätte bei einem regelgerechten Verfahren der Zuschlag erteilt werden müssen. Sie begehrt darüber hinaus den Ersatz der Aufwendungen für die Teilnahme an den Ausschreibungen 2039/11 i.H.v. 5.241,50 EUR und 210/12 i.H.v. 825 EUR, wobei sie teilweise die Kosten ihrer Mitarbeiter, teilweise Arbeitsstunden ihre Geschäftsführers und teilweise Auslagen ansetzt.

Die Beklagte hat behauptet, die Ausschreibung sei hinsichtlich der Leistungsbeschreibung zur Oberflächenqualität der Brettsperrholzelemente nicht eindeutig gewesen. Denn obwohl die vier Positionen 1.2.1920 -1.2.50 irrtümlich nur in "Industriesichtqualität" beschrieben wurden, habe die Nutzung des Gebäudes als Kindertagesstätte und der Hinweis in der Baubeschreibung, dass die Massivholzwände lediglich mit einem transparenten Schutzanstrich versehen werden sollten, den Schluss zugelassen, dass "Wohnsichtqualität" erwartet werde. Die Widersprüchlichkeit der Ausschreibung habe zu unterschiedlichen Kalkulationsgrundlagen und -ergebnissen der Bieter geführt, was durch Nachfrage bei zwei Bietern bestätigt worden sei.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass es auf die Frage, ob das Vergabeverfahren 2039/11 gem. § 17 VOB/A habe aufgehoben werden dürfen, nicht ankomme, da die Klägerin jedenfalls nicht dargelegt habe, dass sie bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag erhalten hätte. Denn es habe der Beklagte nach Eröffnung der Angebote jedenfalls freigestanden, die Ausschreibung in den streitgegenständlichen Leistungsverzeichnis-Positionen zu verändern und die Bieter erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern. Denn "Industriesichtqualität" der betreffenden Brettsperrholzelemente habe nicht dem Beschaffungswillen der Beklagten entsprochen.

Dem Anspruch der Klägerin stehe zudem entgegen, dass sie keinen zivilgerichtlichen Primärrechtsschutz in Anspruch genommen habe.

Die Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Kosten der Klägerin für die Erstellung des ersten Angebots im Verfahren 2039/11 nicht um frustrierte Aufwendungen handele, da hi...

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