Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 9 O 160/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Berufungsklägerin wird das Urteil des Landgerichts Lübeck - Einzelrichter der 9. Zivilkammer - vom 18. Januar 2017 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.187,50 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01. November 2013 sowie der Klägerin vorgerichtliche entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von netto 546,50 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Drittel, die Beklagte trägt zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz, nachdem die Beklagte einen Auftrag zur Erweiterung eines Kindergartens an ein anderes Unternehmen vergeben hat.

Die Beklagte schrieb im Rahmen einer sog. "Funktionalausschreibung für GU- Leistungen" Mitte 2013 die "komplette Planung und Erstellung" der Erweiterung des Kindergartens Hauptstraße um zwei Krippengruppen mit zugehöriger Anbindung an ein Bestandsgebäude aus. Der Erweiterungsbau sollte eine Dachkonstruktion aus Holz mit einem Walmdach (≪ 10° Neigung) und Dachbegrünung aufweisen. Nach einer "Kostenberechnung nach DIN 276" des für die Beklagte tätigen Ingenieurs wurden Kosten in Höhe von 510.000 EUR erwartet.

Die Klägerin beteiligte sich als einziges Unternehmen an der Ausschreibung und gab am 22.07.2013 - fristgerecht - ein Angebot ab, das eine Bausumme von 669.711,91 EUR (ohne Umsatzsteuer) auswies. Nach Prüfung durch den Ingenieur der Beklagten wurde die Angebotssumme auf 704.641,03 EUR korrigiert. Der Klägerin wurde anschließend von dem Ingenieur mitgeteilt, dass die Ausschreibung wegen eines "unangemessen hohen Angebotspreises" aufgehoben werde. Die Klägerin bat daraufhin um Übersendung der Kostenschätzung. Die Beklagte lehnte dies ab und teilte ihm mit Schreiben vom 06.09.2013 mit, dass die Ausschreibung "gemäß § 17 (1) Ziff. 3 VOB/A aus einem anderen schwerwiegenden Grund' aufgehoben" werde, weil für eine Zuschlagserteilung nicht ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung stünden. Das Angebot der Klägerin liege um ein "Vielfaches" über der geschätzten Bausumme. Die Kostenschätzung sei durch den Zuschussgeber geprüft und anerkannt worden.

Die Beklagte forderte anschließend acht Firmen zu einem Angebot für die Planung und Erstellung der Erweiterung des Kindergartens Hauptstraße um zwei Krippengruppen auf; zwei Angebote wurden abgegeben. Die Klägerin wurde insoweit nicht beteiligt. In Gesprächen mit einem Bieter wurden Änderungen der Konstruktion und der Ausführung des geplanten Kita-Anbaus vereinbart, um die Baukosten zu senken. Anstelle eines Pultdaches auf einem Holzrahmenbau war nunmehr ein Flachdach vorgesehen. Weitere Änderungen betrafen (entfallende) Abrissarbeiten, eine geänderte Ausstattung und Kunststoff- statt Holzfenster. Am 19.09.2013 beauftragte die Beklagte eine andere Firma mit den Arbeiten zur Realisierung des Kita-Anbaus.

Die Klägerin forderte daraufhin mit Schreiben vom 09.10.2013 von der Beklagten Schadensersatz wegen der Kosten der Angebotsausarbeitung (netto 9112,50 EUR) sowie entgangenen Gewinn (netto 91.209,55 EUR). Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab. Mit Schreiben vom 10.04.2014 forderte die Klägerin Schadensersatz "zunächst nur in Höhe des negativen Interesses" in Höhe von 9112,50 EUR und behielt sich die Geltendmachung weiterer Schadensersatzbeträge vor. Die Zahlung von 9112,50 EUR wurde bis spätestens 28.04.2014 verlangt. Zugleich forderte die Klägerin den Ersatz ihrer Anwaltskosten in Höhe von 745,40 EUR. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte nicht.

Zur Begründung ihrer - der Beklagten am 18.08.2014 zugestellten - Klage hat die Klägerin die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihr gegenüber schadensersatzpflichtig. Die Aufhebung der Ausschreibung sei nicht gerechtfertigt. Die von der Beklagten erstellte Kostenschätzung sei fehlerhaft gewesen. Die Aufhebung der Ausschreibung sei nur dazu genutzt worden, das erzielte Ausschreibungsergebnis zu korrigieren. Das sei unzulässig. Bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens hätte die Klägerin den Zuschlag erhalten müssen. Die Klage sei vorliegend auf das negative Interesse begrenzt. Für die Angebotsausarbeitung seien Kosten in Höhe von 9112,50 EUR entstanden. Weiter habe die Beklagte die vorgerichtlichen Kosten ihres Anwalts in Höhe von 745,40 EUR zu ersetzen.

Nach Erlass eines "Auflagen-und Hinweisbeschlusses" des Landgerichts (Bl. 258 d. A.) hat die Klägerin - mit Schriftsatz vom 29.09.2016 (Bl. 265 d. A.) mitgeteilt, sie nehme davon Abstand, den bisher geltend gemachten negativen Schaden ersetzt zu verlangen und verlange stattdessen den positiven Schaden in Gestalt des entgangenen Gewinns. Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens hätte sie den Zuschlag erhalten müssen. Sie habe sich als einziges Unternehmen an der Ausschreibung beteiligt und ein wirtschaftliches Angebot abgegeben.

Die Klägerin hat be...

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