Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Juli 2020 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 12 O 423/19 - abgeändert.

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die ein auf Abbruch- und Sanierungsarbeiten spezialisiertes Bauunternehmen betreibt, verlangt vom Beklagten Ersatz entgangenen Gewinns wegen Nichtberücksichtigung bei einer Vergabe.

In den Jahren 2014 und 2015 führte die Klägerin im Auftrag des Beklagten Abbrucharbeiten im Rahmen eines Bauvorhabens "I., F." aus. Bei der Abrechnung der Leistungen kam es zwischen den Parteien zu einem Streit, der durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt wurde. Des Weiteren führte die Klägerin für den Beklagten Abbrucharbeiten im Rahmen einer Baumaßnahme "T., M." durch. Diesen Vertrag kündigte der Beklagte unter dem 10. Februar 2016 wegen eines angeblich vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin. Ferner führte die Klägerin im Auftrag des Beklagten Abbrucharbeiten im Rahmen einer Baumaßnahme "K." durch.

Am 7. Februar 2019 schrieb der Beklagte für das Bauvorhaben "L." die Schadstoffsanierung sowie Abbruch- und Geländearbeiten aus, nachdem eine Kostenberechnung eine Auftragssumme von 136.950,00 EUR netto ergeben hatte. Nach Ziffer 7 der Ausschreibungsbedingungen konnten Angebote elektronisch in Textform eingereicht werden. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots waren Anlagen aufgelistet, "die, soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen" waren, und zwar unter anderem

"Angebotsschreiben

Teile der Leistungsbeschreibung: Leistungsverzeichnis/Leistungsprogramm als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84".

Die Klägerin gab unter dem 4. März 2019 ein Angebot ab, das mit einer Angebotssumme von 165.001,13 EUR netto abzüglich eines Nachlasses von 10 % (ergibt 148.501,02 EUR netto) das günstigste war. Dabei reichte sie die Angebotsunterlagen jedenfalls vollständig im PDF-Format ein. Der Beklagte schloss das Angebot der Klägerin von der Prüfung aus, da es nicht in Form einer GAEB-Datei eingereicht worden sei. Am 12. März 2019 hob er die Ausschreibung wegen des Eingangs unvollständiger Angebote sowie wegen einer Kostenüberschreitung in Höhe von 50 % im Verhältnis zur Kostenberechnung und zum Budget auf. Darüber informierte er die Klägerin zunächst nicht. Stattdessen schrieb er die Leistungen, ohne die Klägerin einzubeziehen, im Rahmen eines formlosen Verhandlungsverfahrens neu aus und beauftragte am 12. April 2019 einen Drittunternehmer; die Auftragssumme betrug 131.947,96 EUR netto. Am 2. Mai 2019 kündigte der Beklagte den Bauvertrag bezüglich der Baumaßnahme "K.".

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Ersatz des Gewinns, der ihr nach ihrer Behauptung durch die Nichterteilung des Zuschlags auf ihr Angebot vom 4. März 2019 entstanden ist. Sie hält es für rechtswidrig, dass der Beklagte ihr Angebot von der Prüfung ausgeschlossen hat. Sie hat behauptet, sie habe das Leistungsverzeichnis auch in Form einer GAEB-Datei eingereicht.

Der Beklagte meint, er habe das Angebot der Klägerin nicht nur wegen Nichteinhaltung der festgelegten Form, sondern auch mangels Eignung ausschließen dürfen. Hierzu hat er behauptet, die Klägerin habe für das Bauvorhaben "I., F." unberechtigte Nachträge zu sittenwidrig überhöhten Einheitspreisen geltend gemacht und habe sich bei der Berechnung von Stillstandskosten auf eine Baugeräteliste bezogen, die ursprünglich nicht Grundlage ihrer Kalkulation gewesen sei. Im Rahmen des Bauvorhabens "T., M." habe sie Arbeiten an asbesthaltigen Baustoffen vorgenommen, ohne die einschlägigen Sicherheitsvorschriften zu beachten. Auch im Rahmen der Baumaßnahme "K." habe die Klägerin mangelhafte Leistungen erbracht.

Das Landgericht, auf dessen Urteil in vollem Umfang Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte die Klägerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren habe ausschließen dürfen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, der Beklagte habe sie nicht ausschließen dürfen.

Sie beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an die Klägerin 36.307,31 EUR netto und Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.316,90 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise beantragt sie gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Beklagten genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin wendet sich in der Berufungsbegründung mit verschiedenen konkreten, auf den Streitfall zugeschnittenen Erwägungen gegen die allein tr...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge