Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 07.12.1999; Aktenzeichen 9 O 248/99) |
Gründe
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers dem Grunde nach zu Recht bejaht; der Kläger kann indes nicht nur 10%, sondern 30% des ihm aufgrund des Unfalls vom 06.09.1996 entstandenen Schadens verlangen; ihm ist dem gemäß auch ein höheres als das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld zuzuerkennen.
1. Zur Haftung dem Grunde nach gilt Folgendes:
a) Da der Kläger seinen Anspruch gegen den Beklagten als Fußgänger nur auf unerlaubte Handlung (§§ 823, 847 BGB) stützen kann, muss er eine schuldhaft verursachte Körperverletzung darlegen und beweisen. Das Landgericht nimmt an, der Beklagte habe sich im Unfallzeitpunkt 1 m auf der Fahrbahn befunden und deshalb gegen § 25 Abs. 3 StVO verstoßen. Was das für ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten besagen soll, ist nicht genau gesagt. Gemeint ist wohl, der Beklagte habe die Fahrbahn nicht trotz des herannahenden Klägers betreten bzw. diesen nicht durch einen weiteren Schritt in Richtung Fahrbahnmitte zu Fall bringen dürfen. Wenn dies festgestellt werden kann, muss in der Tat eine schuldhaft verursachte Körperverletzung bejaht werden. Der Beklagte durfte die Fahrbahn nur betreten bzw. sich nur weiter in Richtung Fahrbahnmitte bewegen, wenn er sich überzeugt hatte, dass kein Fahrzeugverkehr nahte, der dadurch, dass er die Fahrbahn betrat, gefährdet wurde. Für die die Haftung auslösende Fahrlässigkeit genügt dabei schon eine kleine Unaufmerksamkeit.
b) Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts, dass nach den Umständen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein fahrlässiges Verhalten des Beklagten festgestellt werden muss. Zwar hat kein Zeuge bekunden können, wie sich der Zusammenprall genau abgespielt hat. Die Aussage des Zeugen H. klingt zunächst gar so als habe der Kläger den Beklagten, der am linken Fahrbahnrand ging, angefahren. Bei lebensnaher Betrachtung müssen die Zeugenaussagen aber mit dem Landgericht dahin verstanden werden, dass der Beklagte unmittelbar vor dem Zusammenprall eine Bewegung in Richtung Straßenmitte gemacht hat. Dass sich der Kläger in diesem Moment bereits unmittelbar im Bewegungsbereich des Klägers befand und dass es durch die Bewegung des Beklagten zu dem Zusammenprall kam, ergibt sich aus dem Unfallhergang.
2. Der Beklagte haftet nur in eingeschränktem Umfang, weil den Kläger an der Entstehung des Unfalls ein Mitverschulden trifft (§ 254 Abs. 1 BGB). Auch dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der Umstände des Falles und des Ergebnisses der Beweisaufnahme fest. Danach ist der Kläger auf die Jugendgruppe nicht in einer die Gefährdung der Jungen und die eigene Gefährdung ausschließenden Weise zugefahren, obwohl er eine mögliche Gefährdung erkannt hat und dem durch eine andere Fahrweise hätte Rechnung tragen können.
a) Das Landgericht stellt einen Verstoß des Klägers gegen § 2 Abs. 2 StVO, wonach möglichst weit rechts zu fahren ist, fest. Richtig daran ist, dass der Kläger nach den Umständen weiter rechts hätte fahren können, als er es getan hat, und dass es dann zu dem Unfall nicht gekommen wäre. Die Fahrbahn ist an der Unfallstelle 6,7 m breit. Das Fahrzeug, dem der Kläger ausweichen musste, parkte einige Meter von der Jugendgruppe weg in Fahrtrichtung des Klägers am rechten Fahrbahnrand. Es handelte sich um einen Personenkraftwagen, durch den maximal 3 m der Fahrbahn blockiert waren. Da sich der Beklagte nach dem Beweisergebnis nur ca. 1 m vom linken Gehwegrand entfernt auf der Fahrbahn befand und lediglich seine Drehbewegung zu dem Unfall führte, muss für den Kläger genügend Platz vorhanden gewesen sein, in ausreichendem Abstand rechts an der Jugendgruppe vorbei zu fahren. Seine - vom Beklagten vermutete - Absicht, möglichst weit links zu fahren, um kurz hinter der Unfallstelle mit einiger Geschwindigkeit nach rechts in den Kranensterz einbiegen zu können, wäre nicht geeignet, einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot zu rechtfertigen. Das Rechtsfahrgebot schützt aber nach der Rechtsprechung nur den sich in Längsrichtung abwickelnden Begegnungs- und Überholverkehr, dient also nicht dem Schutz von Fußgängern, die sich auf die Fahrbahn begeben (BGH VersR 1964, 1069; 1975, 37, 39; OLG Celle ZfSch 1988, 189; OLG Düsseldorf DAR 1975, 331; OLG Karlsruhe VersR 1979, 478; OLG Nürnberg VersR 1980, 338 f.); seine Missachtung als solche rechtfertigt dann bei Fallgestaltungen wie im Streitfall aber auch nicht den Vorwurf des Mitverschuldens. Ob der aufgeführten Rechtsprechung uneingeschränkt zu folgen ist, kann letztlich dahinstehen; denn jedenfalls hätte der Kläger unter den nachstehend erörterten Aspekten weiter rechts fahren müssen.
b) Das Landgericht bejaht einen Verstoß gegen § 1 StVO. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift hat sich jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. In der Tat ...