Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsstrafenvereinbarung als Allgemeine Geschäftsbedingung oder als Individualvereinbarung; Zur Wirksamkeit einer (unterstellten) Allgemeinen Geschäftsbedingung über eine Vertragsstrafe; Zur Verwirkung der Vertragsstrafe bei vorzeitiger Überlassung eines Teils des Bauvorhabens an den Mieter und zur isolierten Geltendmachung der Vertragsstrafe
Leitsatz (amtlich)
Die Vertragsstrafenklauseln sind nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen, wenn sie Gegenstand einer umfassenden nachträglichen Regelung, die die Parteien vor dem Hintergrund einer Verzögerung in der Fertigstellung infolge umfangreicher Änderungs- und Ergänzungswünsche der Mieterin des zu errichtenden Baus ausgehandelt und festgeschrieben haben und im Rahmen der umfassenden Regelung vor dem Hintergrund der eingetretenen Verzögerung Parteien die Klauseln zur Vertragsstrafe nicht lediglich aus einer vorausgegangen vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedinung fortgeschrieben haben.
Die Regelungen wären auch nicht bei Annahme einer Allgemeinen Geschäftsbedingung unwirksam. Eine Vereinbarung, bei der die Bemessung der Vertragsstrafe an den "Nettobetrag der Schlussrechnungssumme" anknüpft, verstößt nicht gegen das Transparenzgebot. Die vereinbarte Vertragsstrafe mit einem Tagessatz von 0,1 % und einer Obergrenze von 5 % der Schlussrechnungssumme ist unbedenklich. Auch wenn die Obergrenze von 5 % bei Großbaumaßnahmen zu absolut außerordentlich hohen Vertragsstrafen führt, bedingt dies nicht eine unangemessene Benachteiligung, denn bei Großbauvorhaben sind sowohl die Umsatz- und Gewinnerwartung des Auftragnehmers als auch der Druckmittelbedarf und ein möglicher Schaden des Auftraggebers bei Verzögerungen besonders groß, so dass die Relation gewahrt bleibt.
Die Anknüpfung der Vertragsstrafe an die Schlussrechnungssumme ist unbedenklich. Soweit die Beklagte in der nachträglichen Ausweitung eine Erweiterung von Sicherheiten im Nachhinein sieht, ist dies unbedenklich.
Die vorzeitige Überlassung eines Teils des Gebäudekomplexes zum Mieterausbau an den künftigen Mieter hat den Verzug nicht, auch nicht teilweise entfallen lassen.
Der Anspruch auf eine Vertragsstrafe ist ein eigenständiger und als solcher durchsetzbarer Anspruch, dessen Geltendmachung insbesondere von dem Werklohnanspruch der Beklagten unabhängig ist. Zwischen der Vertragsstrafe der Klägerin und dem Vergütungsanspruch der Beklagten besteht kein Verrechnungsverhältnis, in dem die Vertragsstrafe nur ein unselbständiger Abrechnungsposten wäre.
Zur Treuwidrigkeit der Geltendmachung einer Vertragsstrafe zur Frage des Wegfalls oder der Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage
Eine Nutzungsüberlassung an den Mieter des zu errichtenden Baus stellt keine konkludente Teilabnahme dar, die dem Anspruch auf eine Vertragsstrafe entgegensteht.
Keine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über den Werklohnanspruch der Beklagten in einem Parallelverfahren.
Normenkette
BGB §§ 242, 305, 307, 313; ZPO § 148
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 06.01.2011; Aktenzeichen 14 O 70/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Bonn vom 6.1.2011 - Aktenzeichen: 14 O 70/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Beklagte zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil sowie das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen
Gründe
I. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten eine Teil-Vertragsstrafe von 8.675.456,53 EUR wegen verspäteter Fertigstellung des Bauvorhabens "S" in L.
Die Klägerin ließ im Auftrag einer Grundstücksgesellschaft auf deren Grundbesitz das Bauvorhaben "S" in L als Generalübernehmerin durchführen. Durch Generalunternehmervertrag vom 01./2.12.2005 (im Folgenden: GU-Vertrag, abgekürzt GUV, Anlage K1, Bl. 9 ff. GA) beauftragte die Klägerin die Beklagte u.a. mit der Errichtung von Bürohäusern und einem Parkhaus zu einem Pauschalpreis von 164.773.109 EUR. Das Bauvorhaben sollte gem. § 8 Nr. 4 GUV fertiggestellt sein, "wenn die Leistungen des AN bis auf geringfügige Restarbeiten erbracht und frei von wesentlichen Mängeln sind, frühestens jedoch zu dem Termin, den der AN in seinem Abnahmeantrag (§ 9 Nr. 3 Satz 1) als Fertigstellungstermin genannt hat." Unter § 10 GUV trafen die Parteien folgende Vertragsstrafenregelung:
"1. Soweit der AN den Fertigstellungstermin (§ 8 Nr. 1b)) schuldhaft überschreitet und hiermit in Verzug gerät, hat er an den AG eine Vertragsstrafe von werktäglich 0,1 % der Schlussrechnungssumme, maximal jedoch nicht mehr als 5 % der Schlussrechnungssumme zu zahlen ...
...
5. Vereinbaren die Parteien nachträglich schriftlich einen neuen Fertigstellungstermin und/oder geänderte essentielle Zwischentermine, so gilt § 10...