Leitsatz (amtlich)
Gibt ein Anlageinteressent dem Anlageberater als Anlageziel eine Sicherung seiner Altersversorgung vor, so darf der Berater eine spekulative Anlage nicht empfehlen. Dazu gehören auch die Investition in einen geschlossenen Immobilienfonds und die Beteiligung an einer fondsgebundenen Rentenversicherung.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) wird das am 12.5.2011 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Köln - 2 O 423/09 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt,
1. an die Klägerin einen Betrag von 5.500 EUR, Zug-um-Zug gegen Abtretung der von der Klägerin erworbenen Anteile an der, zu zahlen,
2. die Klägerin beginnend mit dem 1.8.2009 von allen weiteren monatlichen Einlageverpflichtungen gegenüber der R. G. freizustellen, Zug-um-Zug gegen Abtretung der jeweils zu erwerbenden Anteile,
3. an die Klägerin einen Betrag von 2.624,32 EUR zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Abtretung der bisher der Klägerin bei der Y Versicherung dem Versicherungsvertrag Nr. XXX gutgeschriebenen Fondsanteile und
4. die Klägerin beginnend mit dem 1.8.2009 von allen weiteren monatlichen Beitragsverpflichtungen gegenüber der Y Versicherung zum Versicherungsvertrag Nr. XXX freizustellen, Zug-um-Zug gegen Abtretung der jeweils zukünftig der Klägerin bei der Y Versicherung dem Versicherungsvertrag Nr. XXX gutzuschreibenden Fondsanteile.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten beider Instanzen sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) beider Instanzen werden der Klägerin auferlegt. Der Beklagte zu 1) hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist für die Klägerin ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung des Beklagten zu 2) ist begründet, wohingegen diejenige des Beklagten zu 1) in der Hauptsache ohne Erfolg bleibt.
1. Die Berufung des Beklagten zu 1) ist zulässig, aber in der Hauptsache unbegründet.
a) Der Zulässigkeit der Berufung des Beklagten zu 1) steht nicht entgegen, dass diese erst am 16.6.2011, mithin mehr als einen Monat nach der am 14.4.2011 erfolgten Zustellung des angefochtenen Urteils, bei Gericht eingegangen ist. Die an den Beklagten zu 1) entgegen § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO persönlich bewirkte Zustellung war unwirksam und hat deshalb die Monatsfrist des § 517 ZPO nicht in Lauf gesetzt.
b) Das LG hat der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) zu Recht einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung hinsichtlich der Sicherung der Altersvorsorge zuerkannt.
aa) Zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) ist ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Aus dem Schreiben des Beklagten zu 1) vom 12.4.2006 ergibt sich, dass dieser den ihm von dem Beklagten zu 2) übergebenen Datenaufnahmebogen der Klägerin individuell auswerten und diese Auswertung zur Grundlage der anschließenden Beratung machen wollte. Dementsprechend wird auch in der "S. " ausgeführt, dass auf der Grundlage der individuellen Auswertung eine für die Klägerin möglichst ideale Finanzstrategie von dem Beklagten zu 2) entwickelt werden könne. Daraus folgt, dass Gegenstand der Tätigkeit des Beklagten zu 1) nicht die reine Vermittlung einer Geldanlage war, sondern diese die Beratung über die in Betracht kommenden Anlageformen beinhaltete.
bb) Der Beklagte zu 1) hat auch Pflichten aus diesem Anlageberatungsvertrag verletzt.
Bei der Beratung über eine Kapitalanlage muss der Anlageberater dem Anleger ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermitteln. Er hat diesen über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände wahrheitsgemäß, verständlich und vollständig zu informieren (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.2007 - XI ZR 320/06, juris Rz. 14). Dies beinhaltet insbesondere auch eine Aufklärung über die speziellen Nachteile und Risiken, die mit der angebotenen Beteiligung verbunden sind.
Der Berater schuldet dabei eine anleger- und anlagegerechte Beratung, wobei Inhalt und Umfang der Beratungspflichten von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden, andererseits die allgemeinen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.2007 - XI ZR 320/06, juris Rz. 14).
Diesen Anforderungen ist die Beratung der Klägerin nicht gerecht geworden.
aaa) Aus dem persönlichen Prioritätenprofil (S. 4 der "S. "), in welchem die Klägerin ihre Anlageziele beschrieben hat, ergibt sich, dass ihr wesentlich an einer finanziellen Absicherung gelegen war; denn darin...