Leitsatz (amtlich)
Ein Produkt zur Behandlung und Prävention von Zystitis, dessen wesentlicher Wirkstoff D-Mannose als Einfachzucker das Adhäsin FiMH des Escherichia coli - Bakteriums bindet, so dass dieses nicht mehr an der Blasenwand anheften und in die menschlichen Zellen eindringen kann, wirkt pharmakologisch und ist daher als Medizinprodukt nicht verkehrsfähig.
Normenkette
AMG § 21; HWG §§ 3, 3a; MPG § 3; UWG §§ 3a, 5 Abs. 1, S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 84 O 224/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.01.2020 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 224/17 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1 zu 2/3 und die Beklagte zu 2 zu 1/3.
3. Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten können die Vollstreckung der Unterlassungsansprüche durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000 EUR abwenden.
Im Übrigen können die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Unterlassung aus einem Wettbewerbsverstoß in Anspruch, weil - so der Vortrag des Klägers -, das Produkt "Femannose" kein Medizinprodukt im Sinne des MPG und daher nicht verkehrsfähig sei.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung gewerblicher Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Der Kläger verfügt über eine Vielzahl an Mitgliedern, die Arzneimittel und Medizinprodukte vertreiben. Auf die Ausführungen in der Klageschrift wird Bezug genommen. Der Kläger ist nach seinen personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattungen in der Lage, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen.
Die Beklagte zu 1 hat das Produkt "Femannose*" als Medizinprodukt "Zur Behandlung und Prävention von Zystitis (Blasenentzündung) sowie anderen Harnwegsinfekten" vertrieben. Dieses wurde in Europa von der T. S.r.l., U., Italien als verantwortliche Herstellerin erstmalig in den Verkehr gebracht. In dem Produkt sind als wesentliche Wirkstoffe D-Mannose und Cranberry-Extrakt enthalten. Auf Anlagen K 3, B1 und die Gebrauchsinformation Anlage K 4, B 3 wird Bezug genommen.
Die Beklagte zu 2 hostet die Internetseite www.g..de. Auf dieser Seite wurde bis Mitte Oktober 2017 das Produkt "Femannose*" beworben, wie in Anlage K 5 wiedergegeben.
Die Beklagte zu 1 bringt das streitgegenständliche Produkt etwa seit Oktober 2017 in geänderter Zusammensetzung in den Verkehr. Der Inhaltsstoff Cranberry wurde aus der Zusammensetzung entfernt und die Bezeichnung des Produktes auf "Femannose* N" umgestellt. Auf der Verpackung heißt es nun "Zur Prävention und unterstützenden Behandlung von Zystitis (Blasenentzündung) sowie anderen Harnwegsinfekten". Auf Anlage K 21, B 21, die Gebrauchsanleitung K 22, B 22 und die Werbung Anlage K 20 wird Bezug genommen.
Der Kläger hat die Beklagten hinsichtlich des Produktes "Femannose*" mit Schreiben vom 26.06.2017 erfolglos abgemahnt (Anlagen K 6 - K 8). Hinsichtlich des Produktes "Femannose* N" hat der Kläger die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 17.11.2017 erfolglos abgemahnt (Anlagen K 23 - K 24).
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, die Produkte "Femannose*" und "Femannose* N" seien als Medizinprodukte nicht verkehrsfähig. Vielmehr handele es sich um Arzneimittel, die - unstreitig - nicht als solche zugelassen seien. Die angegriffenen Produkte erreichten ihre bestimmungsgemäße Hauptwirkung nicht aufgrund einer physikalischen Wirkung im Sinne von § 3 Nr. 1 MPG, vielmehr sei die Wirkung pharmakologisch im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 a AMG.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
I. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr das Produkt "Femannose" (Anlage K 3) als Medizinprodukt in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen;
II. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr das Produkt "Femannose" (Anlage K 3) zu bewerben, sofern dies geschieht...