Leitsatz (amtlich)
1. Der Verbraucher ist auch im Bereich hochwertiger Uhren daran gewöhnt, in der Angabe einer Jahreszahl das Datum der Firmengründung zu sehen; eines Zusatzes, der auf die Tradition ausdrücklich hinweist, bedarf es hierfür nicht.
2. Der Begriff "Zeitsprung" wird allenfalls von einem kleinen Teil des Verkehrs, der sich intensiv mit mechanischen Uhren auseinandersetzt, als Hinweis auf die Technik oder Optik der von Josef Pallweber entwickelten und 1883 patentierten Uhr verstanden.
Normenkette
UWG § 5 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3, § 9
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 81 O 81/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 04.06.2020 - 81 O 81/19 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, es jeweils bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Deutschland unter der Unternehmensbezeichnung "Josef Pallweber" Uhren mit der Angabe "Zeitsprung 1883" zu bewerben, wenn dies wie nachstehend wiedergegeben geschieht:
((Abbildungen))
wenn dies geschieht wie aus der nachstehenden Wiedergabe des Internetauftritts der Beklagten ersichtlich ist:
((Abbildungen))
2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin vollständige schriftliche Auskunft über den Umfang der Handlungen gemäß Ziffer 1 zu geben, unter Vorlage eines schriftlichen, verbindlichen und vollständigen Verzeichnisses, aus dem sich ergeben:
Art und Umfang der betriebenen Werbung, gegliedert nach Werbeträgern, Auflagenzahl, Erscheinungszeit und Verbreitungsgebiet, insbesondere Auflagen und Anzahl versendeter Kataloge, Handelswurfsendungen bzw. Kundenschreiben, Werbeflyer, E-Mail, Newsletter, Post, Mailings, in denen die unter Ziffer 1 wiedergegebenen Uhren beworben wurden, unter Angabe der Namen und Anschriften der Empfänger.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche durch die Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 1 entstandenen oder zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen;
4. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 1.029,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.07.2019 zu bezahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
7. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
8. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Darstellung "Zeitsprung 1883" im Rahmen der konkret zum Gegenstand des Klageantrags gemachten Werbung der Beklagten irreführend ist.
Die Klägerin ist die für Deutschland zuständige Vertriebsgesellschaft der S. Gruppe, einem Luxusgüterkonzern, der verschiedene Uhrenmanufakturen unter seinem Dach vereint, u.a. die J..
Die Beklagte zu 1 ist ein 2013 gegründetes Schweizer Unternehmen, das Uhren herstellt und bewirbt, der Beklagte zu 2 ist Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Beklagten zu 1. Weitere Mitarbeiter hat die Beklagte zu 1 nicht.
Die Beklagte zu 1 verwendet als Unternehmenskennzeichen und Marke "Josef Pallweber". Josef Pallweber war ein Ingenieur, der 1883 ein Patent auf Uhren mit Sprungziffertechnik eintragen ließ, bei denen Stunden und Minuten mit Zahlen anstatt Uhrzeigern angezeigt werden. J. erwarb eine Lizenz und vertrieb die Uhren als sog. Pallweber-Uhren ausschließlich als Taschenuhren vornehmlich in der Zeit von 1885-1910. Solche Uhren sind noch antiquarisch zu erhalten.
Die Beklagten entwickelten zurückgehend auf eine Geschäftsidee des Beklagten zu 2 ab 2010 drei Uhrenmodelle mit einer Sprungziffer für die Stunde und Zeigern für Minuten und Sekunden, die sie wie im Antrag wiedergegeben mit der Bezeichnung "Zeitsprung 1883" bewarb und zu Preisen zwischen 4.700 CHF und 5.400 CHF anbot. Auf die als Anlagen K6 und K7 vorgelegten Auszüge aus der Internetseite der Beklagten wird Bezug genommen. Ein stationärer Verkauf fand in Deutschland nicht statt. In Deutschland bot die Beklagte zu 1 Uhren ausschließlich über das Internet an.
Eine Vielzahl von Uhrenherstellern werben mit Jahreszahlen vorwiegend aus dem 18. oder 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Firma, die häufig auf das Jahr der Firmengründung hinweist. Hierzu verweist die Klägerin auf eine inhaltlich nicht bestrittene Übersicht, die im erstinstanzlichen Urteil abgebildet ist. Hierauf wird Bezug genommen.
Zwischen der Klägerin und einer anderen Gesellschaft aus der S. Gruppe sind oder waren in der Schweiz und in Deutschland Verfahren anhängig, in denen die Beklagte zu 1 aus der Marke "Josef Pallweber" vorgeht.
Die Klägerin hat die Bezeichnung "Zeitsprung 1883" im Rahmen der konkreten Verletzungsform beanstandet, weil diese einen nicht vorhandenen Bezug auf das Jahr 1883 herstelle und auf eine entsprechende, aber nicht vorhandene über 100 Jahre lange Unternehmenskontinuität und Tradition hinweise. Die Beklagte zu 1 nehme irreführend eine Unternehmenskontinuität in Anspruch, für ...