Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für den Rechtsmissbrauch ist - trotz des Abstellens auf äußere Umstände - immer auch ein Wissens- und Wollenselement.
2. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts einem Kläger bei der Formulierung eines abstrakten Unterlassungsantrags durch wiederholte Hinweise behilflich zu sein.
3. Die Angabe "100,- EUR günstiger als 299,- EUR" in einer Matratzenwerbung wird von einem wesentlichen Teil des angesprochenen Verkehrs, der sich nicht aktuell mit dem Kauf einer neuen Matratze befasst, dahin verstanden, dass der ursprüngliche Preis um 100,- EUR reduziert worden ist, auch wenn es sich nicht um eine allgemein übliche Darstellung von Preissenkungen handelt.
Normenkette
UWG § 5 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1; UWG a.F. § 8 IV; ZPO §§ 139, 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 81 O 131/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 05.05.2020 - 81 O 131/19 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in der Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft - zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer - zu unterlassen,
geschäftlich handelnd
eine Matratze mit der Angabe "XY EUR günstiger als XY EUR" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn die beworbene Matratze zu dem höheren Preis nicht angeboten worden ist und auch keine Preisreduktion für die Matratze in Höhe der angeführten "Vergünstigung" erfolgt und kein Bezug auf Wettbewerbsprodukte enthalten ist, wenn dies mit der Angabe "100,- EUR günstiger als 299,- EUR" und wie aus Anlage K 1 und/oder aus Anlage K 2 ersichtlich geschieht:
((Abbildungen))
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.054,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 13.12.2019 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 80 % und die Klägerin zu 20%.
5. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 EUR hinsichtlich der Unterlassung und im Übrigen in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 10.000 EUR hinsichtlich der Unterlassung und im Übrigen in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens und auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
Die Klägerin vertreibt Matratzen und Bettwaren. Eines ihrer Produkte ist die von der Stiftung Warentest prämierte Matratze "Emma One". Die Matratze "Emma One" ist unter anderem in der Größe 90x200 cm für 299 EUR erhältlich.
Die Beklagte stellt ihrerseits die Matratze "Bodyguard*" her und vertreibt diese. Die Matratze ist in zwei verschiedenen Härten und 27 Größen erhältlich. Die Version 90x200 cm in mittelfest ("Bodyguard* Anti-Kartell-Matratze") - 10/2018 von der Stiftung Warentest als Testsieger prämiert - kostet seit Jahren dauerhaft 199 EUR.
Beide Parteien werben für ihre Matratzen in großem Umfang im Fernsehen und Internet. Die Beklagte bewirbt ihren Testsieger "Bodyguard* Anti-Kartell-Matratze" mit der Angabe: "100,- EUR günstiger als 299,- EUR", so wie in den Anlagen K 1 und K 2 wiedergegeben:
((Abbildungen))
Die Klägerin mahnte die Beklagte vorgerichtlich mit Schriftsatz vom 05.12.2019 erfolglos ab und machte Abmahnkosten in Höhe von 1.054,88 EUR auf der Basis eines Streitwerts von 75.000 EUR und einer 1,3-fachen Gebühr geltend.
Bereits mit Schreiben vom 10.09.2019 und 15.10.2019 hatte die Klägerin Google-Werbung der Beklagten wegen anderweitiger wettbewerbswidriger Aussagen abgemahnt und anschließend einstweilige Verfügungen erwirkt. Beide zuvor angegriffenen Google-Werbungen enthielten den hier streitgegenständlichen Slogan "100,- EUR günstiger als 299,- EUR" in der Überschrift. Eine Beanstandung erfolgte zunächst indes nicht.
Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, dass die Werbeaussage der Beklagten irreführend sei, weil die Verbraucher den Werbeslogan als Vergünstigung/Preissenkung auffassten, obwohl der suggerierte Preisvorteil überhaupt nicht existiere.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, geschäftlich handelnd
eine Matratze mit der Angabe "XY EUR günstiger als XY EUR" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn d...