Leitsatz (amtlich)
1. Das Einstellen eines Verkaufsangebotes auf der Plattform "Amazon" unter einer bereits bestehenden "ASIN" (Amazon Standard Identification Number) stellt keine täterschaftliche Urheberrechtsverletzung im Sinne einer öffentlichen Zugänglichmachung der in dem Angebot enthaltenen Lichtbilder i.S.v. § 19a UrhG dar, wenn sich die Lichtbilder nicht in der Zugriffssphäre des Verkäufers befinden.
2. Die automatisierte Einstellung der Verkaufsangebote unter einer bereits bestehenden ASIN kann sich aber als Verletzung eines unbenannten Rechts zur öffentlichen Wiedergabe i.S.d. § 15 Abs. 2 UrhG hinsichtlich der im Angebot angezeigten Lichtbilder darstellen.
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1; UrhG § 15 Abs. 2, § 19a
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 14 O 327/21) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 25.08.2022 - 14 O 327/21 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Tenor zu Ziff. 1 anstelle von "ohne Einwilligung der Klägerin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen" heißt: "ohne Einwilligung der Klägerin öffentlich wiederzugeben".
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leistet. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsanspruchs 12.000,00 EUR und im Übrigen für die Beklagte 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages und für die Klägerin 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.600,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um urheberrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen der Anzeige zweier von der Klägerin angefertigter Fotografien in einem von der Beklagten eingestellten Angebot auf amazon.de, wobei die Beklagte sich an ein bestehendes Angebot "angehängt" hatte.
Die Klägerin ist Designerin sowie Herausgeberin im Bereich der Kunst. Daneben ist sie als Fotografin tätig und hat zusammen mit ihrem Lebenspartner, dem Künstler Herrn S., unter anderem den Bildband "Kunstmaschinen: S." herausgegeben. Die Beklagte ist eine Online-Händlerin mit An- und Verkaufsservice im Bereich gebrauchter Medien, insbesondere Büchern. Sie nutzt hierfür ihre eigene Webseite n.de und das Verkaufsportal amazon.de unter dem Account "n.". Die Beklagte vertreibt auf letzterem Wege etwa 7,6 Millionen Artikel jährlich. Pro Tag verkauft sie daher in der Regel um die 20.000-22.000 Artikel. Dabei hält sie etwa 4,65 Millionen (+/-100.000) verschiedene Artikel als ständiges Angebot bei amazon.de bereit. Üblicherweise verkauft die Beklagte nur Einzelstücke, d.h. gebrauchte Artikel, die nur einmal im Lagerbestand vorhanden sind.
Um doppelte Produktseiten zu vermeiden hat Amazon die Amazon Standard Identification Number (Amazon-Standard-Identifikationsnummer, im Folgenden ASIN), eingeführt. Über die ASIN, die von den Betreibern von Amazon vergeben wird, werden die Produkte auf dem Online-Marktplatz von amazon.de verwaltet. Mit der ASIN werden Produktinformationen verbunden, unter anderem auch die Produktbilder. Diese werden bei der Ersteinstellung, d.h. bei dem erstmaligen Verkauf des Produkts auf amazon.de, von dem jeweiligen ersten Verkäufer/Händler des Produkts eingepflegt. Die Anlegung einer neuen ASIN für ein Produkt, das bereits mittels ASIN erfasst wurde, ist nach den einschlägigen Richtlinien von amazon.de (Anlagenkonvolut B1, Bl. 74 ff. GA) grundsätzlich nicht gestattet (Bl. 78 GA). Dies hat den Zweck, dass auf Amazon nicht die gleichen Produkte mit unterschiedlichen Bezeichnungen, Beschreibungen, Bildern und Merkmalen angeboten werden sollen. Durch Angabe einer bestehenden ASIN für ein zu veräußerndes Produkt werden die Informationen zu diesem Produkt automatisch für die Verkaufsseite generiert, insbesondere werden die unter derselben ASIN bei amazon.de hinterlegten Fotos mit jedem Angebot verknüpft, das diese ASIN verwendet. Dies hat zur Folge, dass es stets nur eine Produktseite gibt, auf der unterschiedliche Händler das Produkt in unterschiedlichen Zuständen (neu/gebraucht) zu unterschiedlichen Preisen anbieten können. Die zur ASIN generierte Produktbeschreibung oder die hinterlegten Bilder können nicht ohne Weiteres geändert werden. Grundsätzlich ist nur derjenige Anbieter berechtigt, die Produktbeschreibung (einschließlich der hinzugefügten Bilder) zu ändern, der die ASIN angelegt hat. Über vorgenommene Änderungen werden diejenigen, die ein Produkt über Nutzung einer vorbestehenden ASIN zum Verkauf eingestellt haben, nicht informiert.
Durch Angabe einer solchen vorbestehenden ASIN "hängte sich" die Beklagte an ein bereits vorhandenes Angebot bzw. an die entsprechenden Produktinformationen bei amazon.de für das o.g. Buch an und verkaufte dort ein Exemplar des...