Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachbarrecht: Beseitigungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Einbau von Fenstern, die gegen nachbarrechtliche Bestimmungen verstoßen und für die keine Baugenehmigung vorliegt, in einer an der Nachbargrenze befindliche Hausmauer liegt eine fortdauernde Beeinträchtigung des Eigentums des Nachbarn gemäß § 1004 BGB.

2. Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB unterfällt nicht der Regelung des § 902 Abs. 1 BGB, sondern unterliegt gemäß den §§ 194, 195 BGB der 30-jährigen Verjährungsfrist.

3. Bei einem schuldrechtlichen Anspruch hat der Wechsel in der Person des Berechtigten keinen Einfluß auf den Lauf der Verjährung, da der Anspruch derselbe bleibt. Die Verjährung, die für den Anspruch zu laufen begonnen hat, setzt deshalb trotz der Rechtsnachfolge ihren Lauf fort.

 

Normenkette

BGB §§ 1004, 194-195

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 24.03.1993; Aktenzeichen 19 O 154/92)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. März 1993 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 19 O 154/92 – wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers, die insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht das Klageverlangen als unbegründet erachtet.

Die geltend gemachten Ansprüche auf Entfernung des Regenfallrohres sowie auf Schließung der beiden Fenster am bzw. im Westgiebel des Hauses der Beklagten s. in s. sind gemäß § 194 Abs. 1, 195 BGB verjährt, so daß die beklagtenseits erhobene Einrede der Verjährung nach § 222 Abs. 1 BGB durchgreift.

Zwar sind entgegen der Auffassung des Landgerichts die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB für das Beseitigungsverlangen des Klägers hinsichtlich Regenfallrohr und Fenster erfüllt.

Seit der im Jahre 1929 erfolgten Installation des Regenfallrohres liegt eine Beeinträchtigung des heute im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks s. (Flurstrück) in s. vor. Wie das Landgericht aufgrund der durchgeführten Ortsbesichtigung und Inaugenscheinnahme überzeugend festgestellt hat, ragt das Fallrohr in den Luftraum des klägerischen Grundstücks hinein. Eine Duldungspflicht gemäß § 1004 Abs. 2 i. V. m. § 242 BGB besteht nicht. Der Beklagten steht nämlich nicht in analoger Anwendung des § 917 BGB ein Notleitungsrecht zu. Eine Entsorgung des Dachflächenwassers in den Kanal an der s. oder in die Drainage im vorderen Bereich vor dem Haus s. war und ist der Beklagten möglich. Nach Aussage der Beklagten in dem Ortstermin am 03.03.1993 wurde ihr Grundstück auf eigenen Wunsch hinsichtlich des Brauchwassers seit 1989 an den Kanal an der s. angeschlossen, der als Mischwasserkanal verlegt worden ist. Unabhängig davon, ob in Zukunft ein Anschlußzwang nach der anderen Seite des Hauses bestehen wird, wenn dort die geplante C. entlangeführt wird, hatte sie die Möglichkeit, zu diesem Zeitpunkt die Dachentwässerung ebenfalls an den Kanal an der s. anzuschließen. Ein von der Beklagten vorgetragenes Gegengefälle des Grundstücks stand dem nicht entgegen, denn dies war auch kein Hinderungsgrund für den Abfluß ihres Brauchwassers in den Kanal an der s.. Zudem wäre es der Beklagten auch ohne einen in Abwägung zur Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch das Regenfallrohr verhältnismäßig hohen Kostenaufwand zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen, ihr Dachflächenwasser, das nun über das streitige Regelfallrohr entwässert wird, genauso wie das Terrassenwasser über die Drainage im Vorplatzbereich des Hauses in die Grube im vorderen Grundstücksbereich versickern zu lassen. Wegen dieser anderen, der Beklagten durchaus zumutbaren Entwässerungsmöglichkeiten hinsichtlich des Dachflächenwassers stand der Beklagten kein Notleitungsrecht in analoger Anwendung des § 917 BGB zu.

Darüber hinaus ist der Tatbestand des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB hinsichtlich der ebenfalls im Jahre 1929 in die unmittelbar an der Grenze zum Grundstück s. (Flurstück) verlaufende Westwand des Hauses der Beklagten ohne baubehördliche Genehmigung und unter Mißachtung der nachbarrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstände installierten Fenster gegeben.

Im Einbau von Fenstern, die gegen nachbarrechtliche Bestimmungen verstoßen und für die keine Baugenehmigung vorliegt, in einer an der Nachbargrenze befindliche Hausmauer liegt eine fortdauernde Beeinträchtigung des Eigentums des Nachbarn gemäß § 1004 BGB (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 52. Aufl., § 903 Rdnr. 9; Soergel-Mühl, BGB, 12. Aufl., § 1004 Rdnr. 70; LG Bochum NJW 1962, 1255). Die Nichteinhaltung der entsprechenden nachbarrechtlichen und damit drittschützenden Grenzabstände durch den Einbau der Fenster in der Grenzwand beschränkt den Kläger als Nachbar unmittelbar in der Sachherrschaft über sein Grundstück gemäß § 903 BGB, denn ihm wäre es wiederum aufgrund nachbarrechtlicher Bestimmungen versagt, einen Anbau an das Haus der Beklagten insoweit vorzunehmen, ...

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