Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.05.2023 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 39/22 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Urheberrechtsschutz für Sandalenmodelle. Die Klägerin ist Teil der A.-Gruppe. Sie vertreibt u.a. die Sandalenmodelle H. und V., die derzeit folgendes Aussehen haben:
((Abbildungen))
Die Beklagte vertreibt über das Internet unter der Bezeichnung "LEDER SANDALE" u.a. folgende Sandalenmodelle
((Abbildungen))
Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihr zustehender Urheberrechte.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass E. A. die Modelle H. und V. alleine geschaffen habe, einschließlich der seit dem Jahr 1981 verwendeten Knochenmustersohle. Nach Schaffung und Markteintritt - H. im Jahr 1963, V. im Jahr 1973 - seien die Modelle lediglich minimal und in für die urheberrechtliche Beurteilung unerheblichen Details angepasst worden, und zwar Ende der 1970er / Anfang der 1980er Jahre durch E. A. selbst. Im Jahr 1981 habe sich H. bereits mit minimal angepasster Schnalle und Laufsohle auf dem Markt befunden. Im Jahr 1979 habe sich auch V. bereits mit geringfügig angepasster Schnalle und im Jahr 1981 mit überarbeiteter Sohle auf dem Markt befunden. Die minimalen Änderungen, die ohnehin durch E. A. als alleinigem Gestalter vorgenommen worden seien, änderten nichts an dem übereinstimmenden Gesamteindruck der Modelle. Sie, die Klägerin, sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte, nachdem E. A. die Rechte der C.B. Orthopädie, Gesellschaft mit beschränkter Haftung (E. A.) als eine ihrer Rechtsvorgängerinnen übertragen habe. Die streitbefangenen Schuhmodelle seien urheberrechtlich geschützte Werke. Dies hat die Klägerin näher ausgeführt, unter Berufung auf mehrere Gutachten historischer, designbezogener und juristischer Herkunft. Bei der Gestaltung insbesondere der Sohlenform, beim nicht verblendeten Sohlenschnitt und bei der Materialwahl bestünden zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, die E. A. individuell ausgefüllt habe, so dass daraus ein ikonisches, brutalistisches, typisches Design entstanden sei.
Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zur vermeintlichen Urheberschaft von E. A. als unsubstantiiert und die angebotenen Beweise als unzureichend gerügt. Es liege nahe, dass die Modelle von einem Entwicklerteam im Unternehmen erdacht worden seien. Die Gestaltung zur Zeit der Schaffung der ersten Modelle sei ebenso wenig nachgewiesen wie ein Übergang der Nutzungsrechte. Die Modelle H. und V. erreichten nicht die erforderliche Gestaltungshöhe eines urheberrechtlich geschützten Werkes. Die Gestaltung und die Materialauswahl seien technisch-funktional und trügen medizinisch-orthopädischen Gesichtspunkten Rechnung. Sie verfolgten das Ziel einer optimalen Form für Fußgesundheit und Tragekomfort, so dass es an einer eigenschöpferischen sowie künstlerischen Gestaltung fehle. Selbst wenn es eigenkreative Beiträge gebe, seien diese so marginal, dass der Schutzumfang des Originals minimal sei und die angegriffenen Gestaltungen nicht mehr darunterfielen. Auch die Beklagte hat Bezug genommen auf verschiedene private Fach- und Rechtsgutachten.
Mit Urteil vom 11.05.2023, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung zur Unterlassung des Vertriebs der beiden streitbefangenen Vervielfältigungsstücke verpflichtet. Außerdem hat die Kammer den Klageanträgen auf Auskunftserteilung, Schadensersatzfeststellung und Vernichtung/Rückruf stattgegeben. Den Antrag auf Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der zu erteilenden Auskunft hat das Landgericht abgewiesen. Die Kammer sah es aufgrund der vorgelegten Indizien als erwiesen an, dass die streitbefangenen Modelle auf alleinige Schöpfungen durch E. A. zurückgehen und alle damit zusammenhängenden Immaterialgüterrechte über eine Kette von Übertragungsvorgängen auf die Klägerin übergegangen sind. Sie hat beiden Modellen Werkschutz auf Basis des unionsrechtlichen Werkbegriffs zuerkannt und die freie kreative Ausnutzung eines schöpferischen Gestaltungsspielraums bejaht. Hierfür sei weder eine überdurchschnittliche Gestaltungshöhe noch ein Vorhandensein dekorativer oder ornamentaler Elemente zu fordern. Ein Gebrauchszweck schließe den Urheberschutz nicht aus, solange die Gestaltung dadurch nicht bedingt sei. Auch ein ästhetischer Überschuss über den Gebrauchszweck hinaus sei nicht erforderlich, genügend seien Gestaltung...