Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.05.2023 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 41/22 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Urheberrechtsschutz für Sandalenmodelle. Die Klägerin ist Teil der X.-Gruppe. Sie vertreibt u.a. die Sandalenmodelle R. und W., die derzeit folgendes Aussehen haben:
((Abbildungen))
Die Beklagte ist Betreiberin der Webseite www.xxx.de, über die sie in der Bundesrepublik Deutschland Schuhe, Bekleidung, Wohnaccessoires etc. im Wege des Online-Versandhandels vertreibt.
Die Beklagte bietet Schuhmodelle mit den Bezeichnungen "D. in S." und "N." u.a. auf ihrer Webseite www.xxx.de wie folgt zum Verkauf an:
((Abbildungen))
Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihr zustehender Urheberrechte.
Nach erfolgloser Abmahnung unter dem 29.10.2021 (Anlage K11, Bl. 214 ff. GA) erwirkte die Klägerin hinsichtlich beider Modelle zunächst einstweilige Verfügungen des Landgerichts Köln vom 19.11.2021, mit der der Beklagten verboten wurde, die vorgenannten Modelle anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen. Die Beklagte gab keine Abschlusserklärung ab, sondern stellte den Antrag nach § 926 ZPO.
In dem Verfahren vor dem Landgericht haben die Parteien um die Frage der Schöpfung der streitgegenständlichen Modelle durch C. X., deren urheberrechtliche Schutzfähigkeit als angewandte Kunst insbesondere mit Blick auf den Gebrauchszweck und hierdurch implizierte technische Zwänge bezüglich der von der Klägerin behaupteten Gestaltungsspielräume sowie die Rechtekette, aus der die Klägerin ihre Aktivlegitimation herleitet, gestritten.
Wegen des näheren Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 2317 ff. GA).
Das Landgericht hat der Klage - mit Ausnahme der Höhe des Zinsanspruchs hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie des Anspruchs auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung - antragsgemäß stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung, Auskunft und Vernichtung bzw. Rückruf hinsichtlich der streitgegenständlichen Modelle verurteilt sowie die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt. Die Sandalenmodelle W. und R. der Klägerin stellten persönliche geistige Schöpfungen dar. Die Kammer sah es aufgrund der vorgelegten Indizien als erwiesen an, dass die streitbefangenen Modelle auf alleinige Schöpfungen durch C. X. zurückgehen und alle damit zusammenhängenden Immaterialgüterrechte über eine Kette von Übertragungsvorgängen auf die Klägerin übergegangen sind. Sie hat beiden Modellen Werkschutz auf Basis des unionsrechtlichen Werkbegriffs zuerkannt und die freie kreative Ausnutzung eines schöpferischen Gestaltungsspielraums bejaht. Hierfür sei weder eine überdurchschnittliche Gestaltungshöhe noch ein Vorhandensein dekorativer oder ornamentaler Elemente zu fordern. Ein Gebrauchszweck schließe den Urheberschutz nicht aus, solange die Gestaltung dadurch nicht bedingt sei. Auch ein ästhetischer Überschuss über den Gebrauchszweck hinaus sei nicht erforderlich, genügend seien Gestaltungsalternativen, aus denen eine ausgewählt worden sei. Der Urheberrechtsschutz Beanspruchende müsse im Prozess darlegen, dass seine Gestaltung neuartig sei, der Beklagte habe darzulegen, dass die Gestaltung bereits zum allgemeinen Formenschatz gehörte. C. X. habe mit bestimmten Materialien und Gestaltungselementen derart experimentiert und diese miteinander kombiniert, dass das jeweilige Ergebnis schöpferischen Charakter besessen habe. Die Vorbekanntheit einzelner der Gestaltungselemente ändere hieran nichts, weil die Originalität der Gestaltung gerade in der Zusammenführung der Elemente liege, die sich von den üblichen und bekannten Darstellungsformen für Sandalenmodelle entfernt habe und über die von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerischen Charakter aufweise. C. X. sei nicht lediglich den technischen Regeln des Schuhmacherhandwerks oder den Zwängen natürlicher Gegebenheiten des menschlichen Fußes gefolgt, sondern habe in der spezifischen Gestaltung seiner anatomiegerechten Sandalenmodelle freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, in denen sich seine individuelle Persönlichkeit widergespiegelt habe. Die klägerischen Sandalen seien insoweit als Teil einer Produktfamilie anzusehen, die sich durch eine eigenständige schöpferische Sprache auszeichne. Allen Modellen sei ein offenkantig verarbeitetes, ungefüttertes Schaftmaterial gemein, weiterhin der ...