Leitsatz (amtlich)
1. Die vorvertragliche Informationspflicht in § 45n TKG mit § 1 der TK-Transparenzverordnung ist Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG. Ihre Durchsetzung über das UWG ist nicht durch die Richtlinie 2005/29/EG gesperrt, zumal auch die in Art. 7 Abs. 5 RL 2005/29/EG angesprochenen unionsrechtlichen Informationspflichten als "nicht erschöpfend" bezeichnet werden.
2. Wenn der Gesetzgeber Informationsanforderungen standardisiert und dadurch begrenzt, verstoßen zusätzliche Informationen gegen das gesetzgeberische Anliegen, gerade durch Verknappung konkurrierende Angebote vergleichbar zu machen. Ein Verstoß gegen die TK-Transparenzverordnung scheidet daher nicht bereits deswegen aus, weil in einem Produktionsinformationsblatt zusätzliche und möglicherweise auch zutreffende Informationen durch den Anbieter angegeben werden.
Normenkette
TK-TransparenzVO § 1; TKG § 45n; UWG § 3 a
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 14 O 20/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 02.07.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 14 O 20/19 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Dieses Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts Bonn sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 15.000 EUR leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, die Beklagte bietet Telekommunikationsanschlüsse mit Internetzugang an. Bei solchen Zugangsdiensten lässt sich nach dem insoweit unstreitigen Vorbringen nicht stets gewährleisten, dass die standardmäßige Zugangsgeschwindigkeit auch für jeden individuellen Kundenanschluss erbracht werden kann, weil manche Internetzugangsdienstleister - so auch die Beklagte - "auf der letzten Meile", d.h. in dem Bereich, der unmittelbar zum Hausanschluss führt, Kupferdoppelladerkabel verwenden, welche die angelieferte Datengeschwindigkeit je nach Entfernung zur Vermittlungsstelle beeinflussen können und somit - bei zu langem Abstand - individuelle Bandbreitenvereinbarungen erforderlich machen können.
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Angaben in von der Beklagten für Internetanschlüsse bereitgestellten Produktinformationsblätter (PIB) hinreichend transparent sind. Die streitgegenständlichen PIB über die Tarife Magenta Zuhause S, M und XL enthalten neben den Standardangaben auch Angaben über eine "Rückfalloption", die zusätzliche Datenübertragungsraten "auf Kundenwunsch" bietet, "wenn die Standard-Datenübertragungsraten nicht zur Verfügung stehen".
Der Kläger hält diese Zusatzangaben für nicht rechtskonform. Er hat gemeint, dass die TK-Transparenzverordnung vorschreibe, dass das PIB ausschließlich die in § 1 Abs. 2 TK-TransparenzVO angesprochenen Standardangaben enthalten dürfe. Indem die Beklagte in ihrem PIB in der Verordnung nicht angesprochene zusätzliche Angaben über eine Rückfalloption nach Kundenwunsch bereitstelle, gehe sie über diese Angaben hinaus und kommuniziere damit unklar.
Der Kläger hat die Beklagte vorgerichtlich abgemahnt und hierfür Erstattung der Kosten verlangt.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen (bei Meidung von Ordnungsmitteln) im Rahmen geschäftlicher Handlungen betreffend Internetzugangsdienste Verbrauchern ein Produktinformationsblatt bereitzustellen, in dem neben den Informationen über den Standardtarif gleichzeitig Informationen über eine oder mehrere Rückfalloptionen erteilt werden, wenn dies wie (im Urteil S. 3-5 abgebildet) geschieht;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die TK-Transparenz-VO enthalte keine Vorgaben dafür, wie im PIB mit der technischen Besonderheit einer möglichen geringeren Leistungsstärke aufgrund längerer Kupfer-Doppeladerkabel umzugehen sei. Die von ihr gemachten Angaben füllten diese Lücke und seien daher für den Kunden transparenter. Wie von der PIB gefordert, werde nur ein Tarif im Sinne eines Hauptvertrages für jede Option angegeben. Der Verbraucher werde erst nach einem Verfügbarkeitscheck für seinen Anschluss zum Angebot geleitet, das Angebot sei transparenter als das der Mitbewerber und es werde von der Bundesnetzagentur akzeptiert. Zudem lasse § 1 Abs. 2 Nr. 5 TK-TransparenzVO einen Gestaltungsspielraum für den Anbieter. Das Muster-PIB der BNetzA für den Mobilfunk lasse auch die Darstellung mehrerer Datenvolumina zu differenzierten Preisen zu, was deutlich intran...