Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswirkungen eines Beratungsfehlers des Rechtsanwaltes bei einem Abfindungsvergleich über Folgen eines ärztlichen Behandlungsfehlers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtsanwalt, der die Eltern eines von ihm vertretenen Patienten dahin berät, dass Fahrt- und Unterbringungskosten zur Betreuung des Kindes im Krankenhaus als eigene Ansprüche der Eltern und nicht als Ansprüche des Kindes geltend zu machen sind, kann den Eltern auch dann wegen Falschberatung auf Schadensersatz haften, wenn ein eigenes Mandatsverhältnis zu den Eltern nicht begründet wurde.

2.Die Grundsätze, wonach für die Frage der Schadenskausalität darauf abzustellen ist, wie ein hypothetischer Rechtsstreit ausgegangen wäre und wonach hierfür das geringere Beweismaß des § 287 ZPO anzuwenden ist, gelten sinngemäß auch dann, wenn die Ansprüche durch einen Abfindungsvergleich ausgeschlossen sind, bei dem die Ansprüche keine Berücksichtigung fanden.

3. Zur Frage, unter welchen Umständen elterliche Betreuungskosten bei hypothetischer Betrachtung mit Erfolg im Rahmen von Vergleichsgesprächen geltend gemacht worden wären.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 611, 823, 843; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 8 O 295/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 23.12.2016 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 8 O 295/16 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 4.288,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 26.2.2016 zu zahlen. Er wird weiter verurteilt, die Klägerin zu 1) von der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 492,54 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 2) zu 30%, der Beklagte zu 70%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) trägt der Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) trägt dieser selbst. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten trägt zu 30% der Kläger zu 2) und im Übrigen der Beklagte selbst.

Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet, nämlich im Hinblick auf die der Klägerin zu 1) entstandenen Aufwendungen, im Übrigen ist sie unbegründet. Der Klägerin zu 1) steht ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus anwaltlicher Pflichtverletzung (§§ 280, 611 BGB) zu.

1. Ein Schuldverhältnis zwischen der Klägerin zu 1) und dem Beklagten ist anzunehmen. Unabhängig von dem jedenfalls ab Anfang 2014 bestehenden unmittelbaren Mandatsverhältnis zwischen den Parteien, das die Durchsetzung vermeintlicher eigener Ansprüche der Kläger gegen den Träger des Malteser Krankenhauses zum Gegenstand hatte, bestand schon zuvor eine anwaltliche Pflicht zur sachgerechten Beratung der Kläger selbst, sei es auf der Grundlage eines eigenständigen Mandates, sei es auf der Grundlage des Vertrages zwischen dem Sohn der Kläger und dem Beklagten mit Schutzwirkung zugunsten der Kläger, sei es als vorvertragliche Pflicht (§ 311 Abs.1 BGB). Die Kläger hatten den Praxisvorgänger des Beklagten, Herrn Rechtsanwalt B, mit der Wahrnehmung der Interessen ihres seinerzeit bereits erwachsenen Sohnes gegen den Krankenhausträger beauftragt und insoweit im Zweifel in Vertretung ihres Sohnes gehandelt. Sie hatten, was der Beklagte nicht bestreitet, schon zu diesem Zeitpunkt die vermeintlich ihnen zustehenden Ansprüche im Hinblick auf die von ihnen getätigten Aufwendungen zur Sprache gebracht und ihren Willen bekundet, diese ebenfalls geltend zu machen. Diesem Vortrag ist der Beklagte ebenso wenig konkret entgegen getreten wie der Behauptung, dass im Rahmen der Vergleichsverhandlungen mit dem Krankenhausträger, die maßgeblich vom Beklagten selbst geführt wurden, die Kläger noch einmal diese Kosten zur Sprache brachten und man sich einig wurde, dass diese Kosten zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden sollten, wie es dann auch geschah. Ob spätestens hierin eine eigene Mandatierung des Beklagten zu sehen war, oder erst das Vorfeld künftiger Mandatierung, oder ob es hier eher um eine gegenüber den Mandanten bestehende eigene Schutzpflicht im Rahmen des Vertrages mit dem Sohn ging, bedarf aus Sicht des Senates keiner Entscheidung.

2. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten ist gegeben. Ein Rechtsanwalt hat die Rechtslage zu kennen und rechtlichen Rat zu erteilen, der in Einklang mit der Rechtslage steht. Kennt er die Rechtslage nicht, hat er sich kundig zu machen. Jedenfalls ist es ihm verwehrt, ins Blaue hinein falsche Rechtsauskünfte zu erteilen. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Aufwendungen der Kläger als Eltern des geschädigten Sohnes ist die Rechtslage klar und eindeutig: Fahrtkosten und Unterbringungskosten, die die Eltern eines Kindes leisten, um ihrem Kind beizustehen, sind - wenn sie denn überhaup...

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