aufgehoben durch BVerfG vom 19.2.04 (1 BVR 417/98)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Abwehrrecht gegen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts steht nur dem unmittelbar Betroffenen zu, nicht aber demjenigen, der durch Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen lediglich mittelbar belastet wird, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren sind.

2. Der Ehrenschutz ist nicht nur auf die „offen” aufgestellten Behauptungen beschränkt, sondern erstreckt sich ebenso auf die Äußerungen, die im Gesamtzusammenhang der „offenen” Einzelaussagen „versteckt” sind, „zwischen den Zeilen” stehen. Eine solche „verdeckte” Aussage ist anzunehmen, wenn der Autor durch das Zusammenspiel der offenen Äußerungen eine zusätzliche eigene Sachaussage macht oder diese dem Leser als unabweisliche Schlußfolgerung nahelegt.

 

Normenkette

BGB §§ 1004, 823; VLPG § 6; StGB § 186

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 11.06.1997; Aktenzeichen 28 O 44/97)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 19.02.2004; Aktenzeichen 1 BvR 417/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11. Juni 1997 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 28 O 44/97 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Der Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu drei Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten: a) das Erzbistum, der Erzbischof von × oder Prälat y. seien aufgrund des Schreibens von Frau D. vom 18. September 1996 in der Lage gewesen, den Schwangerschaftsabbruch der angeblich von einem Pfarrer geschwängerten Minderjährigen zu verhindern, b) dem Erzbistum x., dem Erzbischof von × oder Prälat y. sei es möglich gewesen, den angeblich erpresserischen Pfarrer aus seinem Amt zu entfernen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Von den gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte 3/4 und der Kläger zu 3) 1/4. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen der Kläger zu 1), zu 2) und zu 4) trägt der Beklagte. Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen des Beklagten trägt der Kläger zu 3) 1/4. Im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Journalist. Der Kläger zu 1) ist der Erzbischof von x, der Kläger zu 2) das Erzbistum x., der Kläger zu 3) der Generalvikar und der Kläger zu 4), der Hauptabteilungsleiter Seelsorge-Personal des Generalvikariats.

Die Parteien streiten um Äußerungen des Beklagten am 24.11.1996 in der von XX. ausgestrahlten H. „S.”, am 28.11.1996 in einem Artikel in der Zeitschrift „D.” und in der Ausgabe der in Ö. erscheinenden Zeitschrift „K.”.

Nachdem sich Frau D., Gründerin einer „Initiativgruppe für vom Zölibat betroffene Frauen”, telefonisch im September 1996 an den Kläger zu 4) gewandt hatte, schrieb sie am 18.09.1996 an den Kläger zu 1) und den Kläger zu 4) einen Brief, in dem es u.a. heißt (Bl. 1 d.AnlH.):

„Ich teile Ihnen mit, daß ein Pfarrer einer großen Gemeinde Ihres Bistums seit Januar d.J. eine minderjährige Jugendliche nötigt, mit ihm sexuellen Kontakt aufzunehmen. Hintergrund der Nötigung ist eine von diesem Pfarrer bemerkte Unterschlagung des Mädchens einer größeren Summe aus der Sternsinger-Aktion.

Die Jugendliche ist in der ca. 10. W. schwanger und so angstbesetzt, daß eine Suizidgefährdung vorliegt. Ich habe ihr zugesichert, keine Schritte ohne Ihr Einverständnis zu unternehmen und so sind – leider wie so oft – meine Möglichkeiten der wirksamen Intervention begrenzt.

Heute fand nun auf meine Vermittlung eine Beratung der Jugendlichen in einer Beratungsstelle von „P.” statt. Nach dem heutigen Stand wird die Schwangerschaft in den nächsten Tagen abgebrochen.

Meine Gefühle brauche ich wohl nicht näher zu beschreiben.

Es würde wohl schon einen gewaltigen Schritt vorwärts bedeuten, würden sich die Bistumsleitungen eingestehen, daß auch die extremen Einzelfälle Ausdruck einer Problematik sind, die längst nicht mehr nur Sache der Kirche ist, sondern gesellschaftliche Relevanz angenommen hat.

Sind doch immer mehr Frauen und leider auch Kinder von der Unfähigkeit Ihrer Priester zum zölibatären Leben in entwürdigender Weise betroffen.

Dafür tagen Sie die Mitverantwortung.”

Zum Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens befand sich der Kläger zu 1) auf Tagungen und Auslandsaufenthalten. Nach Rückkehr des Klägers zu 1) verfaßte der Kläger zu 4) unter dem 11.10.1996 ein Antwortschreiben (Bl. 2 d.AnlH.), in dem der Kläger zu 1) seine Bestürzung zum Ausdruck brachte und die Absenderin bat, den Sachverhalt, soweit es ihr möglich sei, zu klären und ihm umgehend den Namen des Pfarrers mitzuteilen, oder die Betroffene zu ermutigen dies zu tun und gegebenenfalls Anzeige zu ...

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