Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein gesetzlicher Anspruch des Frachtführers auf zusätzliche Vergütung bei Schifffahrtssperre, Beförderungshindernis durch Niedrigwasser
Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Reise des Schiffes durch eine vorübergehende, durch Havarie bedingte Sperrung eines Schifffahrtsweges verzögert, ist die Verzögerung nicht dem Risikobereich des Absenders zuzurechnen. Der Frachtführer kann vom Absender dem gemäß neben der Fracht keine zusätzliche Vergütung nach § 420 Abs. 3 HGB beanspruchen.
2. Das während der Reise durch vorhersehbares Niedrigwasser eintretende Beförderungshindernis fällt in den Risikobereich des Frachtführers. Anfallende Leichterungskosten zur Fortsetzung der Reise gehen zu seinen Lasten.
3. Die Abladetiefe muss so bemessen sein, dass für die gesamte Reisedauer eine gefahrlose Fahrt gesichert ist. Bei längerfristig fallenden Pegelständen und mehrtätiger Reise muss grundsätzlich ein weiteres Abfallen des Wasserstands einkalkuliert werden.
4. Zur Berechnung der Distanzfracht.
Normenkette
HGB § 419 Abs. 4, § 420 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort (Urteil vom 12.11.2007; Aktenzeichen 5 C 30/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 12.11.2007 - 5 C 30/06 BSch, unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin und Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 890,59 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2005 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 137 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 93 %, die Beklagte 7 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 120 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung vereinbarter Fracht und zusätzliche Vergütung wegen Reiseverzögerungen infolge Sperrung der F..
Die Beklagte beauftragte die Klägerin unter dem 6.10.2005 mit dem Transport von ca. 1.100 to. Shredder auf Wasserstand von C. nach L. mit dem MS "R.", wofür eine Fracht von 9,75 EUR je Tonne vereinbart wurde. Wegen der am 11.10.2005 erfolgten Sperrung des G.-F.-Kanals kam man noch vor Beladung des MS "R." überein, dass die Klägerin für die längere Ausweichroute über die F. einen Zuschlag i.H.v. 0,50 EUR je Tonne erhalten sollte, so dass sich die vereinbarte Fracht auf insgesamt 10,25 EUR je Tonne belief. Am 14.10.2005 wurde MS "R." mit 798,914 to. Shredder beladen. Der Tiefgang von MS "R." betrug nach der Beladung 2,02.m. Der T. pegel bei M. wies seit dem 12.10.2005 eine deutlich fallende Tendenz auf und betrug am 12.10.2005 150cm, am 13.10.2005 141 cm, am 14.10.2005 133 cm, und fiel zum 15.10.2005 auf 122 cm; auch die Pegel am Oberlauf des T. wiesen - mit Ausnahme des Pegels S., der (nur) am 14.10.2005 um 2 cm gestiegen war, durchweg fallende Pegel auf. Weil ab dem 14./15.10.2005 die F. infolge einer Havarie blockiert war, konnte MS "R." die Reise erst am 29.10.2005 fortsetzen. Inzwischen war der T. pegelstand bei M. weiter gefallen, und zwar zum 16.10.2005 auf 116 cm, am 18.10.2005 auf 105 cm, am 19.10.2005 auf 100 cm, am 20.10.2005 auf 98 cm, und am 21.10.2005 auf 94 cm. In der Folgezeit stieg der Pegel M. bis zum 26.10.2005 wieder bis auf 107 cm an, bevor er erneut sank, und zwar bis auf 90 cm am 29.10.2005. Am 1.11.2005 traf MS "R." in H. ein. Die Klägerin teilte der Beklagten per E-Mail mit, dass wegen der gefallenen Pegelstände ein Teil der Ladung, ca. 180 to., geleichtert werden müsse (GA Bl. 72). Die Beklagte antwortete darauf, dass man gerne bei der Suche nach Leichtermöglichkeiten behilflich sei, im Moment aber nichts anbieten könne (GA Bl. 72). Mit Schreiben vom 4.11.2005 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Kosten der Verzögerung der Reise zu übernehmen, was die Beklagte ablehnte. Am 8.11.2005 wurden aus MS "R." in X. 192,952 to. in MS "I." geleichtert. Die restliche Ladung von 605,962 to. wurde später von der Klägerin bei dem Empfänger in L. abgeliefert. Unter dem 18.11.2005 stellte die Klägerin der Beklagten Rechnung über insgesamt 9.425,30 EUR (GA Bl. 53), zahlbar binnen 30 Tagen, auf die die Beklagte 6.515,57 EUR zahlte (GA Bl. 105); mit Schreiben vom 22.11.2005 lehnte die Beklagte weiter gehende Zahlungen ab (GA Bl. 23, 25). Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten die Beklagte vorprozessual mit Schreiben vom 10.3.2006 vergeblich zu weiteren Zahlungen auf und rechneten hierfür mit Kostennote vom 27.6.2006 eine 1,8 Rechtsanwaltsgebühr aus einem Streitwert i.H.v. 6.435 EUR (675 EUR) zzgl. einer Auslagenpauschale i.H.v. 20 EUR und der gesetzlichen Mehrwertsteuer i.H.v. 16 % ab (GA Bl. 29).
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