Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein gesetzlicher Anspruch des Frachtführers auf zusätzliche Vergütung bei Schifffahrtssperre
Leitsatz (amtlich)
Wird die Reise des Schiffes durch eine vorübergehende, durch Havarie bedingte Sperrung eines Schifffahrtsweges verzögert, ist die Verzögerung nicht dem Risikobereich des Absenders zuzurechnen. Der Frachtführer kann vom Absender dem gemäß neben der Fracht keine zusätzliche Vergütung nach § 420 Abs. 3 HGB beanspruchen.
Eine zweiwöchige Sperre eines Schifffahrtsweges begründet auch keinen Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage.
Normenkette
HGB § 420 Abs. 3; BGB § 313
Verfahrensgang
AG Duisburg-Ruhrort (Urteil vom 26.02.2007; Aktenzeichen 5 C 15/06 BSch) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.2.2007 verkündete Urteil des AG Duisburg-Ruhrort - Schifffahrtsgericht - 5 C 15/06 BSch - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 65,57 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, soweit die Berufung der Klägerin zurückgewiesen wird.
Gründe
I. Die Klägerin macht als Eigentümerin von MS "I." Ansprüche aus Binnenschifffahrtstransporten gegen die Beklagte geltend.
Aus einem im August 2005 durchgeführten Zementtransport von F nach J begehrt sie 1.656,59 EUR Liegegeld wegen verzögerter Beladung, 613,55 EUR Liegegeld wegen Verschmutzung des Schiffes bei der Beladung und deshalb notwendiger Reinigung, 1.650 EUR Reinigungskosten, 65 EUR Kosten für Reinigungsmittel, 350 EUR Sachverständigenkosten, insgesamt 4.335,14 EUR.
Für einen Transport von E nach F gemäß Vertrag vom 11.10.2005 (Anlage K 5, Bl. 18 d.A.) verlangt die Klägerin restliche Fracht i.H.v. 65,57 EUR sowie 12.271 EUR Liegegeld für 20 Tage á 613,55 EUR wegen der Sperrung der G durch ein havariertes Schiff in der Zeit vom 15. bis 29.10.2005.
Der Transport sollte zunächst nach der Ladung ab 12.10.2005 über den H-G-Kanal stattfinden, der bereits am 11.10.2005 bei P gesperrt wurde, weil dort ein Leck in der Kanalüberführung über die M aufgetreten war. Der Zeitraum der Sperrung war zunächst unklar. Als sich herausstellte, dass diese länger andauern würde, einigten sich die Parteien darüber, den Umweg über die Niederlande (G) zu nehmen, und vereinbarten hierfür einen Zuschlag von 0,40 EUR je Tonne zzgl. eines einmaligen Betrages von 100 EUR. Vor der Abfahrt des Schiffes kam es am 15.10.2005 zu einer Schiffshavarie auf der G, in deren Folge die G bis zum 29.10.2005 gesperrt war. MS "I." trat die Reise in E am 5.11.2005 an.
Die Klägerin begründet die verzögerte Abfahrt nach der Aufhebung der G-Sperre damit, dass sich Hunderte von Schiffen diesseits und jenseits der Sperrung angesammelt hatten, so dass der aufgestaute Schiffsverkehr nur langsam über die Schleusen abfahren konnte.
Die Parteien streiten darüber, in wessen Risikosphäre die durch die Sperrung der G bedingte Verzögerung der Reise fällt.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.671,71 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2005 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 777,50 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Schifffahrtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 2.065,57 EUR nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Vertrag über den Transport von F nach J sei ein Ersatzanspruch i.H.v. 2.000 EUR (65 EUR Reinigungsmittel, 350 EUR Sachverständigenkosten sowie 1.650 EUR Reinigungskosten) begründet, aus dem Vertrag über den Transport von E nach F stehe der Klägerin restliche Fracht i.H.v. 65,57 EUR zu.
Den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 12.271 EUR wegen einer Reiseverzögerung von 20 Tagen hat das Schifffahrtsgericht nicht zuerkannt, weil die zeitweise Sperrung der Schifffahrtsstraße wegen eines Schiffsunfalls für die Klägerin nicht gänzlich unvorhersehbar, unbeherrschbar und unkalkulierbar sei.
Gegen das Urteil des Schifffahrtsgerichts hat die Klägerin in zulässiger Weise Berufung eingelegt, die sie auf die Abweisung der Klageforderung von 12.271 EUR beschränkt hat.
Die Beklagte hat Anschlussberufung eingelegt, mit der sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 2.000 EUR wegen Verschmutzung des Schiffes durch Zement wehrt.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Vergütungsanspruch auf Zahlung von 12.271 EUR sei gem. § 420 Abs. 3 HGB begründet.
Nach der Sperrung des H-G-Kanals am 11.10.2005 und der...