Entscheidungsstichwort (Thema)
Breitbandausbau
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bewerbung einer neuen Technik zur Datenübertragung ("Vectoring") kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass Verbrauchern bekannt ist, dass auch bei dieser Technik angegebene Übertragungsgeschwindigkeiten stets Maximalwerte sind, die aufgrund nicht vom Anbieter zu vertretender Faktoren unterschritten werden können.
2. Wer ein Werbevideo auf einer Plattform wie "YouTube" in das Internet stellt, muss damit rechnen, dass dieses Video in den unterschiedlichsten Kontexten abrufbar sein wird. Er kann sich nicht darauf berufen, irreführenden Aussagen in dem Video würden in einem bestimmten Kontext (hier: der Internetseite eines Dritten, auf der das Video eingebettet war) richtiggestellt.
Normenkette
UWG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 24.07.2014; Aktenzeichen 81 O 41/14) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 24.7.2014 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 81 O 41/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gem. § 540 Abs. 1 ZPO)
I. Die Antragstellerin betreibt in Nordrhein-Westfalen ein Kabelnetz, die Antragsgegnerin betreibt bundesweit Telekommunikationsnetze. Die Parteien sind Mitbewerber bei dem Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen. Die Antragstellerin bietet in ihrem Kabelnetz Anschlüsse mit Übertragungsraten bis zu 150 MBit/s im Download an. Die Antragsgegnerin bietet ebenfalls Produkte an, die höhere Übertragungsraten im Glasfaserbereich mit bis zu 200 MBit/s und im LTE-Bereich mit bis zu 150 MBit/s im Download ermöglichen.
Die Antragsgegnerin warb im Internet mit einem Video, wie in dem in die einstweilige Verfügung und das landgerichtliche Urteil eingeblendeten "Storyboard" wiedergegeben. Der gesprochene Text lautete:
"2015 wird eine Stadt mit 50.000 Einwohnern so viel Datenverkehr haben wie 1997 das gesamte Internet. Der steigende Datenverkehr verlangt nach einem stetigen Ausbau der Netze. Die Telekom investiert pro Jahr zwischen 3 und 4 Milliarden Euro in ihr Netz.
Bis Ende 2016 wird die Zahl der mit VDSL versorgten Haushalte von 12 auf 24 Millionen steigen. Und auch die Geschwindigkeit wird dank Vectoring deutlich höher.
[An dieser Stelle wird in dem Video ein analoges Anzeigeinstrument gezeigt, bei dem die Nadel von 50 MBit/s auf 100 springt und dann leicht um den höheren Wert pendelt:]
Für eine schnelle Datenübertragung müssen Glasfaserkabel möglichst nah an den Kunden herangeführt werden. Deshalb verlegt die Telekom Glasfaser auf dem Weg von der örtlichen Vermittlungsstelle bis zum Multifunktionsgehäuse am Straßenrand.
Darüber hinaus werden in den Ausbaugebieten viele neue Multifunktionsgehäuse aufgestellt. Dadurch steigt die Zahl der Menschen, die auf VDSL zugreifen können.
Auf der Strecke vom Multifunktionsgehäuse bis ins Haus führt weiterhin eine Kupferleitung. Auf dieser Kupferleitung wird der Datenübertragungsturbo Vectoring eingesetzt.
Vectoring gleicht elektromagnetische Beeinflussungen zwischen den Kupferleitungen aus. Dadurch sind höhere Übertragungsgeschwindigkeiten möglich. Beim Herunterladen verdoppelt sich die Geschwindigkeit im VDSL-Netz von maximal 50 MBit/s auf 100 MBit/s. Beim Heraufladen vervierfacht sich die Geschwindigkeit sogar. Von 10 auf 40 MBit/s.
[An dieser Stelle werden in dem Video wieder analoge Anzeigeinstrumente gezeigt, bei denen die Nadel jeweils von 50 beziehungsweise 10 MBit/s auf 100 beziehungsweise 40 springt und dann leicht um den höheren Wert pendelt:]
Ein wichtiger Vorteil. Die Menschen nutzen das Internet heute aktiv. Sie tauschen sich immer mehr über das Internet aus. Beruflich und privat.
Damit Vectoring funktioniert, muss ein Betreiber die Kontrolle über sämtliche Leitungen am Multifunktionsgehäuse haben. Die anderen Anbieter können Netzkapazitäten kaufen und ihren Kunden so ebenfalls schnellere Anschlüsse bieten.
Ein Multifunktionsgehäuse erscheint zunächst einmal relativ mächtig. Wer einen Blick ins Gehäuse wirft, stellt jedoch fest: Hier wird kein Platz verschenkt, sondern High-Tech auf engsten Raum zusammengefasst. Ein Multifunktionsgehäuse beheimatet die Technik für bis zu 800 Internetanschlüsse. Dafür sind u.a. Stromzufuhr, Belüftung, Steckplätze und Signalverteiler notwendig.
Die Standorte für Multifunktionsgehäuse befinden sich fast immer auf öffentlichem Grund. Deshalb werden die Standorte mit der jeweiligen Kommune abgesprochen. Alternativen werden geprüft, aber der Standort eines Multifunktionsgehäuses kann nicht frei gewählt werden. Die Multifunktionsgehäuse müssen so über das Ausbaugebiet verteilt werden, dass jeder Nutzer einen schnellen Internetanschluss bekommen kann. Sonst würde im Ausbaugebiet ein Loch entstehen, und schnelles Internet für mehrere 100 Familien und Unternehmen bliebe unerreichbar.
Nach dem Ausbau besitzt der gesamte Vorwahlbereich einer Kommune eine topmoderne Infrastruktur - ein entscheide...