Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 29.6.2022 (28 O 470/20) teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten - im Anschluss an ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Senat (15 W 38/20) - im Hauptsacheverfahren wegen zwei Berichterstattungen auf Unterlassung in Anspruch, die am 9.7.2020 auf der von der Beklagten zu 1) betriebenen Internetseite E-Mail-Adresse01 unter der Überschrift "Betrugsverdacht bei Brust-OPs in Q.: Was wusste die Klinikleitung?" bzw. am 9.7.2020 in der Sendung "E." des Senders I. über eine mögliche Beteiligung des Klägers an einem Abrechnungsbetrug berichteten. Die Beklagten zu 2) bis 4) sind die Autoren der Beiträge.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagten hätten hinsichtlich der mit den Anträgen zu 1) und 2) angegriffenen Äußerungen zwar die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung eingehalten. Jedoch handele es sich nicht um einen Vorgang von einem solchen Gewicht, dass ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit gerade auch an der Offenlegung der Identität des Klägers bestehen würde. Weder die Umstände der angeblichen Tat noch eine besondere Bekanntheit des Klägers könnten als Rechtfertigung herangezogen werden. Auch hinsichtlich der mit dem Antrag zu 3) angegriffenen Äußerungen, bei denen die Frage eines Mindestbestands an Beweistatsachen zweifelhaft sei, fehle es jedenfalls nach der Gesamtabwägung an einem öffentlichen Interesse hinsichtlich einer Identifizierung des Klägers. Der Antrag zu 4) sei nur mit dem Hilfsantrag begründet, wohingegen der gegen eine Eindruckserweckung gerichtete Hauptantrag unbegründet sei. Da die verdeckte Aussage, dass der Kläger Betrugshandlungen vorgenommen habe, keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung darstelle, könne sie nicht Gegenstand eines unabweislichen Eindrucks sein. Der Hilfsantrag sei jedoch begründet, da die verdeckte Verdachtsäußerung über den Kläger unzulässig sei. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge sowie der weiteren Feststellungen und der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt und verfolgen ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.

Sie machen geltend, auch hinsichtlich der mit dem Antrag zu 3) angegriffenen Äußerung liege ein hinreichender Mindestbestand an Beweistatsachen vor. Der Kläger habe nicht bestritten, dass die Patientin K. nicht über den angeblichen Tumor-Befund aufgeklärt worden sei. Den Beklagten hätten die Unterlagen Anlagen K 26 und K 27 seinerzeit nicht vorgelegen, so dass sie von einem Mindestbestand an Beweistatsachen hätten ausgehen können. Sie verweisen ferner darauf, dass das von der Staatsanwaltschaft Bochum gegen den Kläger wegen Abrechnungsbetruges eingeleitete Ermittlungsverfahren mittlerweile (Mai 2022) gemäß § 153a StPO gegen Zahlung eines fünfstelligen Betrages eingestellt worden sei und die Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung noch nicht abgeschlossen seien, was insoweit unstreitig ist.

Die im Rahmen der identifizierenden Verdachtsberichterstattung erforderliche Abwägung müsse zu Gunsten der Beklagten getroffen werden. Das öffentliche Interesse sei hoch, da mit dem Gesundheitswesen ein besonders sensibler Bereich betroffen sei und es nicht lediglich um ein kaufmännisches Thema gehe. Der Umstand, dass Patientinnen, wenn sie von den Vorgängen Kenntnis erlangt hätten, den Eindruck bekommen hätten, sie hätten einen Tumor gehabt, sei schwerwiegend. Schon daraus ergebe sich die Zulässigkeit der Berichterstattung, denn ohne eine Identifizierung des Klägers zumindest in einem kleinen Kreis sei eine Berichterstattung überhaupt nicht möglich gewesen. Insofern könne auch nicht lediglich zwischen schweren Straftaten wie etwa Kapitalverbrechen und leichter Kriminalität differenziert werden. Vielmehr sei auch zu berücksichtigen, welche gravierenden Auswirkungen die berichteten Straftaten auf das Vertrauen in das Gesundheitssystem und die Klinik hätten. Auch Taten, die nicht als Kapitalverbrechen einzustufen seien, könnten sich hinsichtlich Begehung und Schadenshöhe von der gewöhnlichen Kriminalität abheben und dadurch ein überwiegendes öffentliches Interesse begründen. Vorliegend ergebe sich eine solche Abweichung zwar nicht aus der Schadenhöhe oder einem persönlichen Profit des Klägers aus einem etwaigen Betrug, wohl aber daraus, dass vorliegend das Gesundheitswesen und mit den Bereichen "Brustoperation" und "Tumordiagnose" auch noch ein besonders sensibler Bereich desselben betroffen sei.

Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass der Kläger in herausgehobener Position tätig sei. Dies ergebe sich aus seiner gesellschaftlich he...

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