Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 6 Abs. 1 VerpackV hat der einzelne Empfänger der zurückgenommenen Verkaufsverpackungen die in Anhang I der VerpackV genannten Quoten bei der Verwertung zu erfüllen. Die Bildung von Selbstentsorgergemeinschaften zur gemeinsamen Quotenerfüllung ist anders als bei der Regelung in Abs. 3, wonach das Gemeinschaftssystem die Quote zu erfüllen hat, nicht zulässig.
2. Ob diese Regelung mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, wird offengelassen.
3. Wer Entsorgungsdienstleistungen auf der Grundlage der VerpackV anbietet und dabei Selbstentsorgergemeinschaft mit gemeinsamer Quotenerfüllung (vgl. oben Ziff. 1) initiiert, handelt nicht sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG, wenn die maßgeblichen Bundes- und Landesbehörden zu erkennen gegeben haben, dass sie dieses Modell für rechtlich zulässig halten. Zudem ist nicht feststellbar, dass das Verbot der Quotenberechnung der Selbstentsorgergemeinschaft wettbewerbsbezogen ist.
Normenkette
UWG § 1; VerpackV § 6 Abs. 1 u. 3
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 28.11.2002; Aktenzeichen 31 O 293/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.11.2002 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln – 31 O 293/02 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin betreibt seit 1992/93 das sog. E., das in Deutschland einzige Erfassungs- und Verwertungssystem für gebrauchte Verkaufsverpackungen i.S.v. § 6 Abs. 3 VerpackV. Durch die Teilnahme an diesem System können sich Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen von ihren Verpflichtungen aus § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV zur quotengerechten Rücknahme und Verwertung der Verkaufsverpackungen befreien. Die Beklagte bietet seit 1991 Entsorgungsdienstleistungen auf der Grundlage der Verpackungsverordnung an, welche nach In-Kraft-Treten der novellierten Fassung der Verordnung am 28.8.1998 auf quotenpflichtige Verkaufsverpackungen i.S.v. § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV erweitert wurden. Die Erfüllung der verpackungsrechtlichen Rücknahme- und Verwertungspflichten wird hierbei durch die Beklagte für die an ihrem System beteiligten Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen durchgeführt und dokumentiert. In „§ 2 Leistungsumfang J.)” der zugrunde liegenden Verträge heißt es in Abs. 4:
„… Wirken über J. im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben mehrere Hersteller und Vertreiber zusammen (Verpackungsverordnung Anhang I zu § 6 Nr. 2 Abs. 1 S. 5), so wird J. im Rahmen der erforderlichen Nachweisführung eine Dokumentation für die „Gemeinschaft” vorlegen. Dabei ist es ausreichend, dass das J.-Selbstentsorger-System insgesamt die Vorgaben der Verpackungsverordnung erfüllt …”
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die durch das System der Beklagten eröffnete Möglichkeit eines Mengenausgleichs innerhalb der Selbstentsorgergemeinschaft dergestalt, dass die Übererfüllung der verpackungsrechtlichen Rücknahme- und Verwertungsquoten durch einzelne Teilnehmer zugunsten die Quoten nicht erfüllender anderer Teilnehmer angerechnet werden kann, gegen § 6 VerpackV verstoße und deshalb wettbewerbswidrig sei, und nimmt die Beklagte im vorliegenden Verfahren auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen. Ob die Entsorgungslösung der Beklagten mit der Verpackungsverordnung vereinbar sei, könne offen bleiben. Sie handele jedenfalls nicht sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG, weil ihr Konzept die Zustimmung bzw. Billigung der zuständigen Gremien und Behörden gefunden habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen, wobei sie den Unterlassungsantrag wie folgt neu gefasst hat: die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen eine „Erfassungs- und Verwertungsgemeinschaft” einzurichten und/oder zu betreiben, die zur vertraglichen Grundlage hat, dass die gem. § 6 Abs. 1 VerpackV i.V.m. dem Anhang I zu § 6 vorgeschriebenen Quoten, die einzelne Hersteller und Vertreiber, die sich an der Erfassungs- und Verwertungsgemeinschaft der Beklagten beteiligen, dadurch nicht erreichen, dass private Endverbraucher die Verkaufsverpackungen in ihren Geschäftsräumen oder in deren unmittelbarer Nähe zurückgeben, durch solche Verkaufsverpackungen erfüllt werden, die bei anderen Herstellern u...