Weniger Abfall, mehr Recycling: Die Zukunft der Verpackung
Plastiktüten, Schuhkartons, Aluminiumschalen: Europa hat ein Problem mit Verpackungsmüll. Pro Kopf kommen im Jahr rund 190 kg davon auf jeden EU-Bürger und jede EU-Bürgerin. In Deutschland waren es 2021 laut dem Statistischen Bundesamt sogar 237 kg. Das sollen 26 Prozent mehr sein als noch im Jahr 2005. Und auch auf europäischer Ebene ist dieser Wert im gleichen Zeitraum um 19 Prozent gewachsen.
Das Problem: Die Recyclingquoten können mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Laut dem Statistischen Amt der Europäischen Union lag die stoffliche Verwertung der Siedlungsabfälle 2021 in Deutschland bei 68 Prozent. Ein großer Teil des Mülls bleibt also noch immer ungenutzt und wird verbrannt (thermische Verwertung) oder exportiert, was zusätzliche Umweltprobleme verursacht.
Auch lukrative Exporte sind nämlich Teil eines breiteren Trends, bei dem EU-Staaten ihre Abfälle zunehmend in Länder verschiffen, die oft nicht die notwendigen Ressourcen und Infrastrukturen haben, um sie nachhaltig zu verarbeiten. Das alles hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, einschließlich Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung sowie Verlust der Biodiversität und Klimawandel. Um diese Probleme bei der Wurzel zu packen, hat die EU die neue europäische Verpackungsverordnung (EU-VerpackV) auf den Weg gebracht.
Die Bedeutung von Monomaterialien wächst
Verpackungen dienen unterschiedlichsten Zwecken, wie der sicheren Lieferung von Produkten (Transportverpackungen), der Aufnahme und dem Schutz von Waren (Verkaufsverpackungen) sowie manchmal auch der Darbietung von Erzeugnissen (Umverpackungen). Die neuen Regeln für nachhaltigere Verpackungen sollen dafür sorgen, dass Unternehmen Abfälle reduzieren und besser recyceln. Dafür gibt die EU gestaffelte Ziele vor: 5 Prozent weniger Verpackungsabfälle bis 2030, 10 Prozent weniger bis 2035 und 15 Prozent weniger bis 2040. Mit der ersten Stufe werden zugleich bestimmte Verpackungsarten komplett verboten. Dazu gehören unter anderem bestimmte Plastiktüten, Portionsbeutel für die Gastronomie mit Ketchup oder Zucker und Plastikfolie für frisches Obst und Gemüse.
Die Anforderungen an die Recyclingfähigkeit von Verpackungen nimmt mit der neuen Verordnung deutlich zu. Sie sollen in Zukunft so gestaltet sein, dass sie leicht trennbar und wiederverwertbar sind. Damit wächst die Bedeutung von Monomaterialien, die einfacher zu recyceln sind als Verbundmaterialien. Außerdem müssen Verpackungen so konzipiert sein, dass sie ohne großen Aufwand in die jeweiligen Materialfraktionen zerlegt werden können, um die Recyclingprozesse zu erleichtern.
Auch die Verwendung von recycelten Materialien in neuen Verpackungen wird gefördert, um den Kreislauf zu schließen und die Nachfrage nach Primärrohstoffen zu senken. Darüber hinaus müssen die Verpackungen so gekennzeichnet sein, dass Verbraucher:innen leicht erkennen können, wie die Verpackung korrekt entsorgt werden soll, um eine hohe Sammel- und Recyclingquote zu gewährleisten. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass bis 2030 alle Verpackungen recycelbar sind.
EU-VerpackV: Das Aus für Mogelpackungen?
Aufgrund von Gesundheitsrisiken hat die EU entschieden, die Verwendung von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) in Lebensmittelverpackungen zu beschränken. PFAS sind eine Gruppe von Chemikalien, die aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften in vielen industriellen Anwendungen und Konsumgütern weit verbreitet sind. Sie sind extrem langlebig und in der Umwelt sowie im menschlichen Körper nur sehr schwer abzubauen. Die Ansammlung dieser Substanzen kann gesundheitliche Risiken bergen, darunter eine erhöhte Gefahr von Krebs, Leber- und Nierenerkrankungen sowie Beeinträchtigungen des Immunsystems.
Zugleich setzt die Regulierung auf mehr Effizienz bei der Verpackung und schränkt den sogenannten Leerraumanteil auf maximal 50 Prozent ein. Gemeint ist der Anteil des ungenutzten Platzes innerhalb einer Verpackung, der nicht von dem eigentlichen Produkt eingenommen wird. Eine Praxis, die man beispielsweise häufig bei Elektronikgeräten sieht, die oft in viel zu großen Kartons ausgeliefert werden. Der unnötige Leerraum wird mit zusätzlichen Polstermaterialien wie Luftpolsterfolien oder Papier gefüllt, um das Produkt zu schützen – und verursacht so zusätzlichen Verpackungsmüll.
Produktionsprozesse und Materialien auf dem Prüfstand
Neben der Verpackungswirtschaft sind vor allem die Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie der Einzelhandel von den neuen Regeln betroffen. Verpackungshersteller:innen müssen sich darauf einstellen, ihre Produktionstechniken und verwendeten Materialien grundlegend zu überdenken. Um den strengen Anforderungen der Verordnung gerecht zu werden, wird der Einsatz von recyclingfähigen und umweltfreundlichen Materialien unerlässlich. Dies könnte die Einführung neuer Produktionsmethoden und eine verstärkte Forschung und Entwicklung im Bereich nachhaltiger Verpackungslösungen erfordern.
Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, die stark auf effiziente und schützende Verpackungen angewiesen ist, steht vor der Herausforderung, ihre Verpackungsstrategien umfassend zu überarbeiten. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Verpackungen nicht nur den neuen Recyclingvorgaben entsprechen, sondern auch die Qualität und Sicherheit der Produkte gewährleisten. Dies könnte den Wechsel zu alternativen Materialien wie biobasierten Kunststoffen oder leicht recycelbaren Monomaterialien bedeuten. Unternehmen müssen möglicherweise auch in neue Verpackungsdesigns investieren, die den Transport und die Lagerung effizienter gestalten und gleichzeitig umweltfreundlicher sind.
Aktive Anpassung der Geschäftsstrategie gefragt
Der Einzelhandel muss im Zuge der neuen Regeln insbesondere seine Lieferketten überprüfen und sicherstellen, dass alle verwendeten und verkauften Verpackungen den neuen Recyclinganforderungen entsprechen. Dies könnte bedeuten, dass Händler:innen auf Lieferant:innen umsteigen, die umweltfreundlichere Verpackungslösungen anbieten. Darüber hinaus müssen sie möglicherweise ihre internen Abläufe und Schulungen anpassen, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden die neuen Vorschriften kennen und umsetzen können.
Insgesamt erfordert die EU-Verpackungsverordnung von den betroffenen Unternehmen eine aktive Anpassung ihrer Geschäftsstrategien. Sie müssen nicht nur die neuen gesetzlichen Anforderungen erfüllen, sondern auch ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt ernst nehmen und innovative Lösungen entwickeln, die sowohl ökologisch nachhaltig als auch wirtschaftlich tragfähig sind. Diese Umstellung bietet jedoch auch Chancen für diejenigen, die sich frühzeitig anpassen und durch nachhaltige Praktiken einen Wettbewerbsvorteil erzielen.
-
Kreislaufwirtschaft - die "7 R"
78
-
Nachhaltigkeit durch Künstliche Intelligenz: Was ist möglich?
40
-
Marginal Abatement Cost Curve (MACC): Vorteile und Anwendung
30
-
Green Claims: EU-Parlament fordert empfindliche Strafen bei Verstößen
28
-
Science Based Targets – das wissenschaftsbasierte Klimasiegel
23
-
ISO 14068-1:2023: Der Weg zur Klimaneutralität
22
-
Nachhaltige Batterien: Wie Graphit die Mobilitätswende prägt
21
-
Scope 1-3, CSRD, SBTi & PEF - Wie fangen Unternehmen konkret an?
20
-
Biodiversität: Auswirkungen und Pflichten für Unternehmen
19
-
Transitionsrisiken managen: Der Nutzen eines internen CO2-Preises
19
-
Nachhaltige Verpackungen: EU-Beschluss zur Müllreduzierung
17.12.2024
-
Neues Projekt zum Übergang zu zirkulären Geschäftsmodellen
12.12.2024
-
Handreichung für Aufsichtsräte: Biodiversität im Fokus
09.12.2024
-
Das grüne Krankenhaus: Nachhaltigkeit im Gesundheitssektor
06.12.2024
-
13. Bundespreis Ecodesign würdigt zehn zukunftsweisende Ideen
02.12.2024
-
Schutz der Biodiversität: Im ureigenen ökonomischen Interesse
26.11.2024
-
Deutschland rutscht im Klimaschutz-Ranking leicht ab
21.11.2024
-
EUDR: Gesetz weiter in der Diskussion
21.11.2024
-
So setzen Unternehmen die Vorgaben der EUDR um
05.11.2024
-
Klimaanpassung: Wie Unternehmen und Kommunen SDG 11 umsetzen können
01.11.2024