Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 21.07.2023 - 1 O 254/22 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, ein Haftpflichtversicherer, nimmt die Beklagte im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Regress.
Am 15.09.2018 verursachte der Versicherungsnehmer der Klägerin bei dem Betrieb seines Fahrzeugs T. einen Verkehrsunfall auf der P.-straße N01, H., in dem er stark alkoholisiert (1,7 Promille) und mit überhöhter Geschwindigkeit fahrend (150km/h bis 160 km/h statt erlaubter 70km/h) auf die Gegenfahrbahn geriet und dabei mit dem von der Frau R. geführten Fahrzeug K. kollidierte. Der Versicherungsnehmer der Klägerin verstarb an der Unfallstelle. Der Unfall war für Frau R. unvermeidbar. Ihre zum Unfallzeitpunkt 36-jährige Beifahrerin Frau L. (im Folgenden: Geschädigte) erlitt schwerste Verletzungen, insbesondere ein Schädelhirntrauma II. Grades, Rippenserienfrakturen links und rechts, multiple Verletzungen des Bauchraums sowie der Blutgefäße, Frakturen an Händen und Füßen sowie Verletzungen der Lendenwirbelsäule in Form einer Bandscheibenzerreißung, eines inkompletten Querschnitts sowie Querfortsatz- und Dornfortsatzfrakturen. Die Beklagte, die auf der Rückbank des K. - unmittelbar hinter der Geschädigten - saß, war zum Unfallzeitpunkt nicht angeschnallt. Ihre weitere Sitzposition ist im Einzelnen streitig.
Die Beklagte erlitt bei dem Unfall einen vierfachen Ellenbogenbruch, einen Speichenbruch und ein angebrochenes Becken rechts.
Die Klägerin, die für die Schäden der Geschädigten im Außenverhältnis in vollem Umfang aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG haftet, zahlte der Geschädigten 200.000,00 EUR auf den Schmerzensgeldanspruch und weitere 100.000,00 EUR auf den Haushaltsführungsschaden, Heilkosten und sonstige vermehrte Bedürfnisse. Außerdem leistete die Klägerin Zahlungen an Dritte (Krankenversicherer der Geschädigten und Sozialversicherungsträger sowie Rechtsanwaltskosten) in Höhe von insgesamt 81.099,44 EUR. Die Geschädigte konnte wieder mobilisiert werden. Zurück blieben Bewegungseinschränkungen, die sich insbesondere beim Gehen bemerkbar machen und zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 % führen. Die Sozialversicherungsträger der Geschädigten machen fortlaufend weitere Ansprüche geltend. Die Klägerin hat Verjährungsverzichte ihnen gegenüber erklärt.
Die Klägerin macht eine Mithaftung der Beklagten im Umfang von 70 % der an die Geschädigte gezahlten Entschädigung geltend. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte gem. § 840 Abs. 1 BGB mit ihr als Gesamtschuldnerin. Im Innenverhältnis trage die Beklagte einen Mithaftungsanteil von 70 %, da die bei der Geschädigten im Vordergrund stehenden und abgrenzbaren Verletzungen der Lendenwirbelsäule ausschließlich durch das verkehrswidrige Verhalten der Beklagten verursacht worden seien.
Die Klägerin hat gestützt auf ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Unfallrekonstruktionsgutachten der DEKRA sowie auf ein Privatgutachten eines Ingenieurbüros für Unfallrekonstruktion behauptet, die hinter der Geschädigten sitzende Beklagte sei unfallbedingt, da sie nicht angeschnallt war, mit den Knien an die Rückenlehne des Beifahrersitzes gestoßen. Dies habe zu einer starken Belastung im Rückenbereich der Geschädigten geführt, wodurch die Wirbelsäulenverletzungen erklärbar seien. Wäre die Beklagte angeschnallt gewesen, wäre es nicht zu den massiven Verletzungen der Geschädigten im Rückenbereich gekommen. Sie hat weiter die Auffassung vertreten, die Anschnallpflicht des § 21a StVO schütze auch die Mitinsassen vor Verletzungen, denn nach der Gesetzesbegründung schütze die Vorschrift auch sonstige Interessen der Allgemeinheit und damit erst recht diejenigen der Mitinsassen.
Die Klägerin hat beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 266.763,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2022 zu zahlen; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie von 70 % der künftigen Leistungen, die sie für die Geschädigte V. C. L., geboren am 00.00.0000, aufgrund des Verkehrsunfalls vom 15.09.2018 zu erbringen hat, vollumfänglich freizustellen; 3. die Beklagte zu verurteilen, sie von der Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 4.069,21 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihre Haftung scheide bereits deswegen aus, weil im Rahmen der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge unter Einbeziehung der alleinigen Unfallverursachung durch den Versicherungsnehmer der Klägerin und der Unvermeidbarkeit des Unfallgeschehens für die Insassen des K. der Verstoß gegen die Anschnallpflicht hinter dem signifikanten Verschulden des Unfallverursachers zurücktrete. Überdies fehle es an der Ursächlichkeit des Verstoß...