Leitsatz (amtlich)
Bei der Unterspritzung von Falten etc. mit Hyaluron handelt es sich um einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) HWG, für den nicht mit "Vorher-Nachher"-Bildern geworben werden darf.
Normenkette
HWG § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 84 O 143/22) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 19.04.2023 - 84 O 143/22 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu je 1/3.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leistet. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsanspruchs 5.000,00 EUR und im Übrigen für die Beklagten 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages und für den Kläger 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, ein eingetragener Wettbewerbsverband, nimmt die Beklagten, die eine ärztliche Gemeinschaftspraxis betreiben, wegen behaupteter Verstöße gegen das HWG auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
Die Beklagten zu 2) und 3), die als Gesellschafter die Beklagte zu 1) bilden, firmieren unter der Bezeichnung "N. Privatpraxis ...". Zu Werbezwecken unterhalten die Beklagten eine unter der Domain https://www.n..de/ geschaltete Internetseite. Darauf werben sie mit Fotos, die behandelte Patienten vor und nach einer Behandlung durch die Beklagten zeigen sollen (Vorher-Nachher-Bilder). So werben die Beklagten etwa für eine Behandlung von Nasen- und Kinnpartie mit dem nachstehend eingeblendeten Bilderpaar:
((Abbildung))
Alle streitgegenständlichen Bilder, die im Anlagenkonvolut K3 (Bl. 13 ff. GA) enthalten sind, sollen jeweils das Ergebnis einer Unterspritzung der Haut mit Hyaluronsäure oder sog. "Fillern" zeigen (Giabella, Hohlwangenunterspritzung, Krähenfüßebehandlung, Nasolabialfaltenbehandlung, Volumenaufbau, Wangenunterspritzung, Faltenbehandlung). Bei einer solchen Behandlung wird zur Veränderung der äußeren Erscheinung des Patienten ein Präparat mittels einer Spritze unter die Haut eingebracht.
Wegen dieser Werbung mahnte der Kläger, der hierin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht sowie das Wettbewerbsrecht sieht, die Beklagten erfolglos unter dem 30.08.2022 ab (Anlage K4, Bl. 28 ff. GA).
Wegen des näheren Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 131 ff. GA).
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angegriffene Werbung verstoße gegen § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG. Hiernach sei es untersagt, für einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff zu werben. Unter den Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs falle jeder instrumentelle Eingriff am oder im Körper des Menschen, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen würden. Hierunter falle auch das Unterspritzen der Haut mit Hyaluronsäure oder "Fillern" mittels einer Kanüle, das einen instrumentellen Eingriff zur Form- und Gestaltsveränderung darstelle. Der Eingriff finde unter der Haut des Patienten und mithin im menschlichen Körper statt, so dass ein operativer chirurgischer Eingriff vorliege, wie sich aus einer Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. (Urteil vom 03.08.2021, 3-06 O 16/21, vorgelegt als Anlage K6, Bl. 35 ff. GA) ergebe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie von den Beklagten beantragt, sei entbehrlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der im Wesentlichen geltend gemacht wird: Das angefochtene Urteil erschöpfe sich in einer Wiedergabe der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. und sei daher nicht ausreichend begründet bzw. habe den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Zu Unrecht habe die Kammer, wie zuvor auch das Landgericht Frankfurt a.M., davon abgesehen, ein dermatologisches oder chirurgisches Sachverständigengutachten einzuholen. Bei der Behandlung mit Hyaluronsäure handele es sich um eine wenig invasive oberflächliche Unterspritzung der Falten mit dem Ziel der Auffrischung der Haut. Sie stelle sich daher nur als vorübergehende Behandlung dar, die dazu diene, mittels eines körpereigenen Stoffes eine lokale Feuchtigkeitserhöhung und damit ein jüngeres Hautbild zu erreichen. Dabei werde das Hyaluron - anders als etwa bei einer Impfung oder auch einer Vitaminspritze - nicht intramuskulär injiziert. Die Risiken seien ...