Entscheidungsstichwort (Thema)
Horizontale Arbeitsteilung zwischen Zahnarzt und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurg
Leitsatz (amtlich)
Ein Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg, an den ein Patient von seinem Zahnarzt gezielt zur Abklärung einer verdächtigen Veränderung am Zungengrund überwiesen wird, ist im Regelfall weder verpflichtet, den Patienten auf die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrollen hinzuweisen, noch, die Kontrollen selbst zu veranlassen; dies bleibt vielmehr in der alleinigen Verantwortung des überweisenden Zahnarztes.
Normenkette
BGB §§ 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 3 O 321/15) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.10.2016 - 3 O 321/15 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am 19.10.1946 geborene Kläger wurde im Dezember 2011 von seinem Zahnarzt B B2 wegen einer klinisch festgestellten Veränderung der Mundschleimhaut im Bereich des Zungenrandes an die Beklagten, die eine Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie betreiben, mit der Bitte um Abklärung eines Verdachts auf Leukoplakie überwiesen. Dem Kläger wurde in der Praxis der Beklagten am 16.12.2011 eine Gewebeprobe im Bereich der Zunge entnommen. Anlässlich eines Besprechungstermins am 23.12.2011 empfahl der Beklagte zu 2) dem Kläger Mundspülungen mit Salbeitee. Der histologische Befundbericht des Zentrums für Pathologie und Zytodiagnostik vom 21.12.2011, der bei dem Besprechungstermin noch nicht vorgelegen hatte, beschrieb eine Leukokeratose und eine mittelgradige chronische Entzündung ohne Anhalt für Malignität. Der Befundbericht wurde im Anschluss weder dem Kläger noch seinem Zahnarzt übermittelt.
In der Folgezeit stellte sich der Kläger mehrfach bei seinem Zahnarzt vor. Im April 2013 stellte Herr B2 erneut eine Veränderung der Zungenschleimhaut fest. Nach erneuter Gewebeentnahme in der Uniklinik L wurde ein Plattenephitelkarzinom der Zunge diagnostiziert. Der Kläger musste sich einer Zungenteilresektion, einer Lymphknotenausräumung am Hals und einer Defektdeckung im Tumorbereich sowie einer anschließenden Radiochemotherapie unterziehen.
Der Kläger hat den Beklagten vorgeworfen, ihn nicht über die Notwendigkeit von regelmäßigen Verlaufskontrollen aufgeklärt zu haben. Man hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass die festgestellte Leukoplakie ein potenzielles Vorstadium eines Karzinoms sei und dass sein persönliches Risiko, an einem Mundhöhlenkarzinom zu erkranken, aufgrund seines Nikotin- und Alkoholabusus um bis zu 30-fach erhöht sei. Der Kläger behauptet, er hätte die Zunge in kurzen Abständen kontrollieren lassen, wenn er über das Gefahrenpotenzial seiner Erkrankung aufgeklärt worden wäre.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 15.000,- EUR, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2013 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.166,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2013 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm als Folge der unzureichenden ärztlichen Tätigkeit (Aufklärung) der Beklagten anlässlich seiner Behandlung in der Zeit vom 16.12.2011 bis zum 23.12.2011 in Zukunft noch entstehen werden;
4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.171,67 EUR vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, den Kläger bereits anlässlich eines ersten, vor der Entnahme der Gewebeprobe durchgeführten Gespräches am 7.12.2011 darüber informiert zu haben, dass selbst im Falle eines gutartigen Befundes regelmäßige Verlaufskontrollen notwendig seien würden.
Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 177 ff d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Gutachtens von Prof. Dr. Dr. X (schriftliches Gutachten vom 25.04.2016, Bl. 132 ff. d.A. nebst mündlicher Erläuterung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2016, Bl. 172 ff. d.A.). Anschließend hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagten seien nicht zur Aufklärung über die Notwendigkeit von Nachkontrollen verpflichtet gewesen. Den Beklagten sei durch Herrn B2 nur ein eingeschränkter Auftrag zur Abklärung der Veränderung des Zungengrundes erteilt worden. Mit der weiteren Behandlung seien ...