Leitsatz (amtlich)
1. Ein nur erstinstanzlich zugelassener Rechtsanwalt ist ggü. einem prozesserfahrenen Mandanten nicht verpflichtet, von sich aus ohne entsprechenden Auftrag die Erfolgsaussichten einer möglichen Berufung zu überprüfen und den Mandanten entspr. zu unterrichten.
2. Dem eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Nr. 2 BGB beurkundenden Notar, der auch über die Beweislastregel des § 2336 BGB aufzuklären hat, obliegt es im Rahmen der Belehrungspflichten nach § 19 BeurkG nicht, den Testierenden auf mögliche Beweisschwierigkeiten und auf die Möglichkeit einer entsprechenden Feststellungsklage hinzuweisen.
3. Eine „schwere Pietätsverletzung”, wie sie eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Nr. 2 BGB erfordert, liegt nicht vor, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die körperliche Misshandlung des Erblassers vor dem Hintergrund erheblicher finanzieller und persönlicher Benachteiligungen des Pflichtteilsberechtigten durch den Erblasser erfolgt ist.
Normenkette
BeurkG § 19; BGB § 2333 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 20 O 71/02) |
Tenor
Die Berufung gegen das am 28.8.2002 verkündete Urteil des LG Köln – 20 O 71/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, ist die Schadensersatzklage des Klägers, die dieser wegen behaupteter anwaltlicher Pflichtverletzungen gegen die Beklagten erhoben hat, zurückgewiesen worden. Der Kläger, der aufgrund eines notariellen Testamentes der 1995 verstorbenen Frau Y. zu deren Alleinerben eingesetzt worden war, wurde in dem von dem Sohn der Erblasserin gegen ihn geführten Rechtsstreit (LG Köln, 15 O 499/95) mit Teilurteil vom 21.11.1996 zur Auskunftserteilung über den Nachlass verurteilt. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass die zum Nachteil des Sohnes in dem Testament verfügte Pflichtteilsentziehung gem. § 2333 Nr. 2 und 3 BGB mangels konkreter Niederlegung der Gründe dieser Pflichtteilsentziehung unwirksam war. Die von dem Kläger gegen dieses Urteil eingelegte Revision wurde mit Urteil des OLG Köln (1 U 111/96), das sich diesen Erwägungen anschloss, zurückgewiesen. Durch Urteil des LG Köln vom 19.11.1998 (15 O 499/95) wurde der Kläger sodann zur Zahlung eines Betrags von 569.443,03 DM an den Sohn der Erblasserin verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision wurde zurückgewiesen.
Im Jahr 1997 beauftragte der Kläger die Beklagten mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den das Testament beurkundenden Notar Dr. M2. Diese Klage wurde mit Urteil vom 10.11.1998 durch das LG Köln (5 O 205/98) rechtskräftig abgewiesen. Der Kläger stützt seine nunmehrige Klage darauf, dass die Beklagten jenen Prozess gegen den Notar fehlerhaft geführt und ihm nicht zur Einlegung einer Berufung geraten hätten; sie hätten ihm daher den durch das Fehlverhalten des Notars entstandenen Schaden, d.h. die von ihm zu begleichenden Pflichtteilsansprüche, zu ersetzen.
II. Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das LG hat die Klage i.E. zu Recht abgewiesen, da dem Kläger gegen die Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus anwaltlicher Pflichtverletzung zusteht. Unabhängig davon, dass den Beklagten zur Überzeugung des Senates schon eine Pflichtverletzung nicht vorzuwerfen ist, ist hierdurch jedenfalls kein Schaden des Klägers verursacht worden.
1. Eine Pflichtverletzung der Beklagten ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagten dem Kläger nicht zur Einlegung einer Berufung geraten haben.
Nach Ansicht des Senates ist mit dem LG davon auszugehen, dass das Schreiben der Beklagten vom 4.12.1998, mit dem der Kläger unter Übersendung des landgerichtlichen Urteils und unter deutlichem Hinweis auf die Berufungsfrist zur Stellungnahme aufgefordert worden ist, letztlich zur Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten ausreichend war. Die Beklagten haben damit zunächst der ihnen in jedem Fall obliegenden Pflicht, den Mandanten vom Lauf der Berufungsfrist in Kenntnis zu setzen und ihm die Möglichkeit zu verschaffen, die Frage zu beurteilen, ob Berufung einzulegen ist, durch die erfolgte Übersendung des Urteils unter Hinweis auf den Ablauf der Berufungsfrist Genüge getan (vgl. BGH VersR 1963, 435). Ob sie darüber hinaus verpflichtet waren, bei dem Kläger noch einmal nachzufragen, ob er Berufung einlegen wolle, bedarf hier letztlich ebensowenig einer Entscheidung wie die Frage, ob sie den Kläger auch ohne besonderen Auftrag über die Aussicht eines Rechtsmittels aufzuklären hatten. Eine Nachfragepflicht ist vom BGH (BGH VersR 1963, 435 [436]; VersR 1958, 789) für den Regelfall verneint worden. Während eine B...