Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 08.03.2001; Aktenzeichen 9 O 351/99) |
Tatbestand
Die Kläger zu 2) und 3) sind die Eltern des am 5.7.xxxx geborenen, schwer behinderten Klägers zu 1), der Beklagte ist Frauenarzt und betreute die Schwangerschaft der Klägerin zu 2). Die Kläger begehren Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen ihrer Auffassung nach unzureichender ärztlicher Betreuung während der Schwangerschaft.
Bei der Klägerin zu 2) war im Herbst 1992 eine Konisation durchgeführt worden, bei der aus dem Gebärmuttermund ein Kegel von 1,5 cm Länge und 2 cm Durchmesser entfernt worden war. Seit Februar xxxx bestand eine Zwillingsschwangerschaft, die zunächst von einem anderen Arzt betreut wurde. Dieser behandelte eine diagnostizierte Scheiden- und Muttermundinfektion mit Beta-Isadona-Zäpfchen. Ab dem 15.4.xxxx betreute der Beklagte die Klägerin zu 2) frauenärztlich. Er führte am 15.4., 13.5. und 17.6.xxxx Untersuchungen der Klägerin durch. Bei dem ersten Termin, bei dem er auf der Behandlungskarte u.a. "Ausfluss" vermerkte, erfolgte eine Untersuchung durch Nativpräparat, die ohne Befund blieb. Auch bei der zweiten Untersuchung am 13.5.xxxx wurde ein Nativpräparat erstellt, das ohne Befund war. Ebenfalls ergab eine Untersuchung auf Sprosspilze keinen Befund. Bei dem Termin vom 17.6.xxxx erfolgte eine vaginale Untersuchung und u.a. eine Untersuchung des Urins, die erhöhte Leukozytenwerte ergab. Der Beklagte verordnete der Klägerin zu 2) ein Magnesiumpräparat und bestellte sie erneut für den 15.7.xxxx ein.
Am 5.7.xxxx setzten bei der Klägerin zu 2) Wehen ein. Sie begab sich zum Beklagten, der eine Eröffnung des Muttermundes und ein weitgehendes Verstreichen der Cervix feststellte. Wie sich später herausstellte, hatte sich bei der Klägerin zu 2) ein Amnioninfektionssyndrom (Entzündung der Eihäute) entwickelt, das auf einem bakteriellen Befall der Scheide (Vaginose) beruhte. Der Beklagte veranlasste die unverzügliche Einweisung der Klägerin zu 2) in das Krankenhaus Siegburg. Dort kam es nach einem Blasensprung, bei dem übelriechender Fluor abging, zur Geburt des Klägers zu 1) und seiner Zwillingsschwester, die kurz darauf verstarb. Der Kläger zu 1) war mit einem Gewicht von 500 Gramm deutlich unterentwickelt und ist als Folge dessen schwerst motorisch und cerebral behindert.
Die Kläger haben behauptet, der Beklagte habe in grob fehlerhafter Weise Anzeichen, die auf eine Frühgeburt hindeuteten, verkannt und notwendige prophylaktische Maßnahmen unterlassen. Die Klägerin zu 2) habe während der gesamten Behandlungsdauer an übelriechendem Ausfluss gelitten und den Beklagten wiederholt und nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht. Auch habe sie anlässlich der Untersuchung vom 17.5.xxxx auf Bauchschmerzen hingewiesen, die möglicherweise schon Anzeichen einer drohenden Frühgeburt gewesen seien. Wegen der bereits bei Beginn der Schwangerschaft bestehenden Infektion und des fortwährenden Ausflusses sei davon auszugehen, dass eine fortwährende Infektion bestanden habe, die sich letztlich zu dem Amnioninfektionssyndrom entwickelt habe. Der Beklagte habe auch zur Vermeidung einer drohenden Frühgeburt eine Cerclage veranlassen und die Klägerin zu 2) entsprechend aufklären müssen.
Die Kläger haben beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu 1) ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000.- DM nebst 4% Zinsen seit dem 23.7.1999 zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) als Erben ihres am 6.7.xxxx verstorbenen Kindes Marie-Luise ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1000.- DM nebst 4% Zinsen seit dem 23.7.1999 zu zahlen;
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) jeweils ein Schmerzensgeld von mindestens 1000.- DM nebst 4% Zinsen seit dem 23.7.1999 zu zahlen;
4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1) den infolge des ärztlichen fehlerhaften Verhaltens in der Vergangenheit entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen, abzüglich etwaiger sachlich und zeitlich kongruenter Leistungen Dritter.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, bei keiner der von ihm durchgeführten Untersuchungen hätten sich Anhaltspunkte für eine Infektion oder für Frühgeburtsbestrebungen ergeben. Auf übelriechenden, starken Ausfluss habe die Klägerin zu 2) ebensowenig hingewiesen wie auf die vom Vorbehandler diagnostizierte Scheideninfektion. Irgendwelche Behandlungsfehler seien ihm nicht vorzuwerfen.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Zwar habe der Beklagte behandlungsfehlerhaft am 17.6.xxxx keine weitere Nativuntersuchung vorgenommen. Dass sich hierbei allerdings Anzeichen für eine bestehende Infektion ergeben hätten, stehe nicht fest. Dies gehe zu Lasten der Kläger, da es sich nicht um einen groben Behandlungsfehler gehandelt habe. Auch nach den Grundsätzen über die Verletzung von Befunderhebungspflichten ergäben sich keine Beweiserlei...